Muss, wer den Hidschab ablehnt, Freizügigkeit toll finden? Das eine hat mit dem anderen fast nichts zu tun.

Wie man sieht, kann auch ein Hidschab ästhetisch sein
Junge, da war was los … Barbie mit Hidschab, ein kritischer und – zugegeben – wenig differenzierender Kommentar, der die Sperrung Birgit Kelles zur Folge hatte, die erst durch Intervention des bekannten Medienanwalts Joachim Steinhöfel aufgehoben werden konnte. Für einen katholischen und libertären Blogger ist da einiges an Musik drin, an einer Facette des Themas, der des latenten Faschismus, der auch den eher linksliberal orientierten innewohnt, hatte ich mich bereits versucht. Dabei könnte man es sich gerade aus dieser Rolle einfach machen: Ob die Firma Mattel seine Barbies mit Hidschab oder als SM-Domina verkleidet, geht niemand anderen etwas an als Mattel selbst – und Eltern können sich dann fragen, ob sie ihre Kinder das kaufen lassen wollen oder nicht. Ein Verbot, so etwas zu verkaufen, ist jedenfalls mit meinen Vorstellungen von Freiheit nicht zu vereinbaren.
Barbie und Kleidung: Freiheit oder Unterdrückung
Umgekehrt ist es natürlich auch legitim, seine Meinung zu so einer Marketingaktion zu äußern: Der Verdacht, dass mit einer Hidschab-Barbie nicht nur die moslemische Kundschaft geködert sondern ein geändertes Rollenverhalten propagiert wird, ist eben nicht von der Hand zu weisen. Kann gut sein, dass die Sportlerin Ibtihaj Muhammad, die für die Puppe Pate stand, ihr Kopftuch freiwillig trägt, andernorts in der Welt und hinter verschlossenen Türen riskieren aber Frauen für das Ablegen dieses Kleidungsstücks Repressalien, körperliche Strafen bis hin zur Steinigung. Und das nicht nur, weil dort zu Hause ein durchgeknallter Mann sitzt, der auf Kopftücher steht, sondern weil ein nicht geringer Teil der Anhänger des Islam diese Verhüllung als notwendig für das Glaubensleben einer Frau betrachtet, und weil sie offenbar der Meinung sind, dass Frauen, die Haare oder ein wenig mehr als das Gesicht an Haut zeigen, es provozieren, dass man über sie herfällt.
Das alles muss man sagen dürfen, um darauf aufmerksam zu machen, dass ein Hidschab eben gerade nicht ein Kleidungsstück wie viele andere ist, besonders aber kein Symbol von Emanzipation. Das hat aber zunächst mal viel mit meiner Vorstellung von Freiheit – der Freiheit, jedes Produkt anbieten zu dürfen, was der Markt verlangt (so lange dadurch niemand direkt geschädigt wird), genauso wie die Freiheit, jede Meinung sagen zu dürfen, ob gesellschaftlich gelegen oder ungelegen – wenig aber mit meinem katholischen Glauben zu tun.
Sittsam, schamhaft oder züchtig?
Damit kommen wir in einen anderen Bereich, in dem man das Objekt der Diskussion, die Barbiepuppe, ein wenig differenzierter betrachten muss. Denn mal abgesehen von der Hidschab-Barbie sind die in aller Regel eher freizügig unterwegs, gerne in Bikini, oft in kurzen Kleidern und offenherzigen Dekolletés, und natürlich immer schlank, mit Traummaßen und langen, meist blonden Haaren versehen. Daneben gibt es noch „Sondermodelle“ wie die Meerjungfrau, die allerdings naturgemäß auch nicht eben schüchtern auftritt. Damit prägen Barbiepuppen, nicht erst seit heute, Schönheitsideale der Kinder und angehenden Erwachsenen. Und sie prägen die Vorstellung davon, was kleidungstechnisch „geht“ und was nicht.
Machen wir uns nichts vor: Im Wortschatz der wenigsten Erwachsenen, auch Katholiken, und noch weniger in dem der Kinder, kommen heute noch Worte wie „sittsam“, „schamhaft“ oder „züchtig“ vor. „Freizügigkeit“ hat sich als Synonym für Freiheit in der Kleidungswahl etabliert. Niemand wird mehr gezwungen, sich – wie es früher auch mal hieß – „anständig“ zu kleiden (ein Begriff, der heute eher für die Qualität der Kleidung, nicht aber für ihren Stil verwendet wird), und das ist auch gut so. Aber die Barbie, und viele Werbungen in TV und Print, zeigen, was die Erwartungshaltung an sich ist: Zeige mehr Haut – Du darfst das, das ist Deine neue Freiheit.
Keine Verbote!
Vorsicht, ich gehe nicht soweit, so etwas auch nur annähernd verbieten zu wollen, wie es beispielsweise die Grünen versuchen, wenn sie gegen in ihren Augen sexistische Werbung vorgehen, die allerdings schon da anfängt, wenn eine Frau „anlasslos lächelt“. Es geht hier nicht um staatlich verordnete Verbote sondern um die sehr persönliche Entscheidung – die man in einer Ehe übrigens auch gemeinsam mit dem Partner treffen kann – wie ich mich selbst in der Öffentlichkeit darstelle. Da darf man von einem Katholiken auch mal verlangen, in das Buch zu schauen, das unseren Glauben maßgeblich wiederspiegeln sollte – den Katechismus. Und siehe da: Im Abschnitt „Kampf um die Reinheit“ (interessanterweise zum Neunten Gebot) finden sich folgende wirklich lesenswerte Absätze (die ich jedenfalls nicht so transparent hatte):
Was sagt der Katechismus?
2521 Reinheit verlangt Schamhaftigkeit. Diese ist ein wesentlicher Bestandteil der Mäßigung. Die Schamhaftigkeit wahrt den Intimbereich des Menschen. Sie weigert sich, zu enthüllen, was verborgen bleiben soll. Sie ist auf die Keuschheit hingeordnet, deren Feingefühl sie bezeugt. Sie lenkt Blicke und Gesten entsprechend der Würde der Menschen und ihrer Verbundenheit.
2522 Die Schamhaftigkeit schützt das Geheimnis der Personen und ihrer Liebe. Sie lädt zu Geduld und Mäßigung in der Liebesbeziehung ein; sie verlangt, daß die Bedingungen der endgültigen Bindung und wechselseitigen Hingabe von Mann und Frau erfüllt seien. Zur Schamhaftigkeit gehört auch Bescheidenheit. Sie beeinflußt die Wahl der Kleidung. Wo sie die Gefahr einer ungesunden Neugier vermutet, gebietet sie Schweigen und Zurückhaltung. Sie wahrt Diskretion.
2523 Es gibt eine Schamhaftigkeit der Gefühle wie des Körpers. Sie erhebt z. B. Einspruch gegen die „voyeuristische“ Ausbeutung des menschlichen Körpers in gewissen Reklamen oder gegen die Bestrebungen mancher Medien, bei der Enthüllung intimer Dinge zu weit zu gehen. Die Schamhaftigkeit regt zu einer Lebensweise an, die den Zwängen der Mode und dem Druck vorherrschender Ideologien widersteht. […]
2525 Die christliche Reinheit erfordert eine Reinigung des gesellschaftlichen Umfeldes. Sie verlangt von den Massenmedien jene Ausdrucksweise, die auf Rücksichtnahme und Zurückhaltung bedacht ist. Herzensreinheit befreit von diffuser Erotik und meidet Schauspiele, die Voyeurismus und Sinnestäuschung begünstigen.
2526 Die sogenannte Permissivität der Sitten beruht auf einer irrigen Auffassung von der menschlichen Freiheit. Die Entwicklung der Freiheit bedarf der Erziehung durch das sittliche Gesetz. Von den Erziehern ist zu verlangen, daß sie der Jugend eine Unterweisung vermitteln, welche die Wahrheit, die Eigenschaften des Herzens und die sittliche und geistige Würde des Menschen achtet.
(Hervorhebungen durch mich)
Death by Wickelrock?
Und jetzt, was machen Katholiken und – vielleicht vor allem – Katholikinnen jetzt? Doch wieder „Death by Wickelrock“? Darum kann es erkennbar nicht gehen; nicht darum, sich nicht schick machen zu dürfen, nicht darum, den eigenen Körper in Wallegewändern zu verstecken. Wir sind schließlich leiblich geschaffen … und in Freiheit! Diese Freiheit eröffnet uns einerseits, unseren Körper in Beliebigkeit zu Markte zu tragen, aber auch die Entscheidung, es in dieser Hinsicht nicht zu übertreiben. Diese Freiheit eröffnet uns – diesmal vielleicht eher den Männern – die Möglichkeit, bei allzu großer Offenherzigkeit länger hinzusehen als notwendig, oder den Blick auf die Würde des Gegenübers gerichtet zu halten.
Klingt altmodisch? Ist es nicht, es ist bewährt, im besten Sinne konservativ. Und dann ist es auch wieder nicht verboten, für eine solche Weltsicht Werbung zu machen, sich von freizügiger Werbung ebenso wenig beeinflussen zu lassen wie von Modetrends, die „enthüllen, was verborgen bleiben soll“. Das alles immer im Verbund mit der Freiheit des Einzelnen: Werbung zu machen für einen „sittsamen“ oder wenigstens nicht schamlosen Kleidungsstil bedeutet nicht, jeden anderen ungefragt aufmerksam zu machen auf echte oder vermeintliche „Verfehlungen“. Nichts wirkt weniger anziehend als „Tugendwächter“, die sich berufen fühlen, der Welt zu sagen, wie sie sich zu kleiden hat. Darum darf man als Katholik bedauern, dass Barbiepuppen zu liederlich gekleidet sind, es sollte uns aber nicht auf die Barrikaden bringen.
Männlicher Tipp
Und dazu noch ein kleiner männlicher Hinweis an die Frauen: Das schönste Geschöpf, dass Gott geschaffen hat, ist die Frau – und mir fehlt die Phantasie zu glauben, dass er das gemacht hat, damit sie diese Schönheit versteckt. Sie zu billig anzubieten macht diese Schönheit aber wieder zunichte, Schamlosigkeit macht hässlich. Keine Frau muss sich meinetwegen daran halten (zumal ich verheiratet bin, und jeder Versuch, mich in dieser Hinsicht zu beeindrucken, zum Scheitern verurteilt ist), aber ich vermute, dass das nicht wenige Männer so sehen.
P.S.: Als ich meiner Frau vom Inhalt dieses Beitrags berichtete, hatte sie direkt noch ein halbes Dutzend zusätzliche Vorschläge, was eigentlich noch an Aspekten mit rein müsste. Ich denke, ich werde das Thema noch mal aufgreifen, es scheint in mehrfacher Hinsicht wichtig genung. Und an alle, denen hier Gesichtspunkte fehlen: Gerne kommentieren, ich greife es gerne auf.
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Bild: By Ferdinand Reus (Flickr) [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons
Bernd Meurer
Wenn das Kopftuch ein Symbol für die Unterdrückung der Frau ist, dann ist es das Kreuzzeichen auch. Eine Frau darf niemals zu einer sakramentalen Weihe zugelassen werden. Wir sollten unser überhebliches und arrogantes Auftreten gegenüber dem Islam als das benennen, was es ist, Islamphobie. Oder ich gehe als Katholik zuerst einmal hin und bekämpfe die eigene Unzulänglichkeit in der Religion, bevor ich andere Religionen kritisiere..
Gerd
Sehr geehrter Herr Meurer,
wenn sie eine Überheblichkeit im Beitrag von Herrn Hogekamp entdeckt haben, zeigen sie die doch einfach auf. Das würde eine Diskussion doch erleichtern. Ich im übrigen lehne ihre Pauschalverurteilung, dass wir (alle?) unser überhebliches und arrogantes Auftreten gegenüber dem Islam überdenken sollen, ab. Eine solche Sichtweise gegenüber anderen Religionen ist mir fremd.
Gerd
Es muss natürlich Honekamp heißen.
Michael Moos
Erst einmal zur Klarstellung: Beim Hidschab ist das gesamte Gesicht sichtbar.
Persönlich muss ich sagen, dass dieses Kleidungsstück tatsächlich den Blick auf das Gesicht lenkt und dadurch die Person anstelle des Körpers in den Blick genommen wird.
Das kann ich als Mann bedauern, oder entspannend finden (entspannen = Spannung herausnehmen), je nachdem, wie sehr ich um die Reinheit meiner Gedanken bemüht bin und frei über meine Triebe gebieten kann.
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass eine Frau es als befreiend empfindet, wenn Männer ihr in die Augen statt ins Dekolleté schauen.
Freiheit wird für mich dort verletzt, wo Frauen gezwungen sind, einen Hidschab zu tragen.
Gefährlich wird es, wenn Männer nicht freie Herren über ihre Triebe sind und deshalb Frauen zwingen, sich zu verhüllen, damit sie nicht lernen müssen sich zu kontrollieren. In diesem Fall wird der Hidschab zum Ausdruck der Tatsache, dass Männer und Frauen zu Sklaven des Triebes geworden sind. Dann unterscheidet sich der Mensch auch nicht mehr vom Tier.