Ein Priester mit Elvis-Tolle und Festivalbändchen zelebriert eine Promihochzeit bei RTL II. Muss das sein? Ja, es muss … und es muss noch mehr!
Als meine Frau und ich am 4.6.2016 abends etwas später nach Hause kamen, trauten wir unseren Augen kaum. Unsere Babysitterin saß vor dem Fernseher, was normal ist, aber es lief … eine Hochzeit. Dass das in irgendeiner Fernsehschnulze vorkommen mag, kann man sich noch vorstellen, aber dies hier war anders … wenn sich ein junges Mädchen das anschaut, muss es einen anderen Hintergrund haben. Und es waren auch nicht nur Auszüge aus einer Hochzeit, es war die ganze katholische Zeremonie, die wir dann – fast mit vor Staunen offenem Mund – sahen. Und das Ganze, ein Blick ins Bildschirmeck verriet es, bei RTL II. Genau, der Sender der ansonsten schon mal Voyeuristen aller Gesellschaftsklassen eint, indem sie nackige Leute auf einer Insel beobachten dürfen, in der Hoffnung, dass sie sich finden, diese angeblichen Adams und Evas (die mit dem biblischen Paar im Paradies aber auch gar nichts zu tun haben dürften außer ihrer Nacktheit).
Promihochzeit bei RTL II
Wer die Fernsehwelt ein wenig kennt, der weiß natürlich, über wen ich rede: Es war die Fernsehübertragung der Hochzeit von Daniela Katzenberger und Lucas Cordalis; man tut den beiden wohl nicht unrecht, wenn man ihnen zwar einen gewissen „Promistatus“ zubilligt, aber nicht gerade im E-Bereich der Kultur. Und der Priester, von dem ich bereits gehört hatte, stand da mit Festivalbändchen am Arm … und hielt eine Predigt und zelebrierte eine Hochzeit, die sich gewaschen hat: Keine Zugeständnisse ans Fernsehen, keine Weichspülerei (jedenfalls nicht mehr, als bei anderen Hochzeiten auch, nach meiner Erinnerung eher weniger).
Der Priester heißt Norbert Fink, ist seit 2007 Jugendseelsorger im Oberbergischen Kreis und durchaus für „Neues“ bekannt. Rap in der Kirche? Warum denn nicht? Gebete als Poetry-Slam? Natürlich. Auftritte als Elvis-Presley-Imitator? Gerne – als Fan und mit einer durchaus passablen Stimme gesegnet. Dazu kommen Auftritte vor allem im Rundfunk, bei denen es zum Beispiel um Spielfilmbetrachtungen aus christlicher Perspektive geht. Gebloggt hat er auch eine Weile bis ihm klar wurde, dass er mehr Menschen erreicht, wenn er direkt über die „Quelle“ sozialer Medien kommuniziert, über Facebook. Und Fink hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Hallo Welt, hier Kirche“ und dem wie ich finde noch schöneren Untertitel „Von einem, der auszog, den Glauben zu rocken“.
Berufung zu Neuem
Wer jetzt aber eine seichte Anbiederung an den Zeitgeist erwartet, der wird enttäuscht. Seine Berichte über den eigenen Glaubensweg, die eigenen Zweifel, die Verbindung zwischen Elvis Presley und seiner Spiritualität und Sendung, seine Worte über die notwendige und allzu oft ungeprüfte Berufung zur Ehe (und natürlich zum Priestertum), seine Betrachtungen zu Hollywoodfilmen wie „Der Club der toten Dichter“ (bei dem ich selbst mal zu einem etwas anderen Schluss gekommen bin, worüber ich wirklich gerne mal mit Herrn Fink reden würde), all das kommt ohne pseudojugendliche Plattitüden aus. Da ist einer, der irgendwann gespürt hat, dass Gott mehr von ihm möchte als mehr oder weniger regelmäßige Messebesuche. Da berichtet einer von seinem Weg der Prüfung und wie er all seine Erfahrungen, Vorlieben und Begabungen, die er sonst noch hat, für seine eigentliche Berufung gewinnbringend einsetzen kann.
Wenn Fink dann zur Mitte des Buches über sein Christusbild spricht und ausholt zu einer tiefen Betrachtung über das Gebet (im Kapitel „Jesus – oder: Den dritten Weg finden, wenn es nur rechts oder links zu gehen scheint“), ahnt man, dass man es mit einem tiefgläubigen Priester mit einer engen Christusbeziehung zu tun hat … den allerdings der Zustand der Kirche – eigentlich der Zustand der Welt ohne Gottesbezug – umtreibt. Und aus diesem Wunsch, Christus in die Welt zu bringen, entspringen Ideen und mutige Entscheidungen, andere Wege zu gehen, als sie von den meisten als „normal“ und „einem Priester“ gemäß betrachtet werden. Denn die Erkenntnis ja korrekt, dass es uns – der Kirche – vielfach nicht gelingt fernstehende und junge Menschen zu Christus zu führen. Da ist es zu einfach, auf die Schlechtigkeit der Welt zu zeigen, die wahre Evangelisierung nicht mehr zuließe und in der Hektik und Weltorientierung keine Entschleunigung wie in einer Messe zulasse.
Wer zu Christus führt, hat Recht
Dabei … in Finks Betrachtung zu christlichen und religiösen Motiven in Filmen wird deutlich: Die äußere Ähnlichkeit zwischen einer Kinovorstellung und einer Kirche sind frappierend. Was da geht, sollte doch auch in der Kirche gehen?! Und damit ist nicht eine Dienstleistungskirche gemeint, die unterhalten, aber sehr wohl eine, die Begeisterung hervorrufen muss. Was für eine großartige Botschaft hat Jesus, was für ein überragendes „Angebot“ haben wir mit den Sakramenten. Kann es sein, dass es nicht nur an der Welt liegt, wenn die nicht überschnappt vor Freude?
Nicht jedem muss gefallen, was Norbert Fink macht, aber – so meine persönliche, etwas pauschale Einschätzung: Wer Menschen zu Christus, zum Glauben und damit am Ende in die Kirche führt, hat Recht! Dabei macht Fink in seinem Buch, wie schon bei der Fernsehübertragung einer Promihochzeit, keine Kompromisse bei der Botschaft. Bei aller Modernität blitzt da was durch von Kardinal Meisner, der ihn zum Priester geweiht hat, und der mal – sinngemäß – gesagt hat, man könne den Glauben nicht billiger verkaufen. Das tut auch Fink nicht, was vielleicht besonders im letzten, sehr persönliche gehaltenen Kapitel über den Tod (Titel: Irena Fink – oder: Christen dürfen beides, trauern und hoffen) zum Ausdruck kommt, in dem er zum Beispiel Beerdigungs-Lobhudeleien für den Verstorbenen eine Abfuhr erteilt. Auch seine Worte über die Hölle machen deutlich, dass hier nicht umetikettiert wird: „Ich glaube, dass es sie gibt, und ich hoffe und bete, dass sie leer ist.“ – Dieses Gebet kann und sollte jeder Christ mitbeten können, auch wenn er selbst bei manchem Mitmenschen Zweifel haben mag.
Der größte Dank gilt Gott
Ob das alles Menschen langfristig – neudeutsch: nachhaltig – zu Christus führt? Das wird erst die Zukunft zeigen. Aber wenn Menschen, die sich abends vor dem RTL-II-Programm versammeln um irgendeinen Konsum-entschuldigung-Scheiß zu schauen plötzlich auf eine katholische Hochzeit stoßen und damit neugierig gemacht werden, was es denn mit diesem „Bis das der Tod euch scheidet“ tatsächlich auf sich hat, das sich zwei Promis vor den Kameras schwören; wenn junge Menschen über einen Poetry-Slam oder ein gerapptes Gebet auf Themen aufmerksam werden, mit denen sie sonst niemals konfrontiert werden, insbesondere nicht in einer Kirche, die sie einerseits nicht besuchen und die andererseits allzu oft die Kernthemen scheut; wenn Menschen einen Priester erleben, der einer von ihnen ist, nur mit einer sehr speziellen Berufung und gleichzeitig mit einem Hang zu einem weißen Presley-Jumpsuit, wenn das passiert, dann kann ich daran – konservativer Knochen, der ich eigentlich bin – nicht nur nichts Schlechtes finden, sondern darf auch darauf vertrauen, dass Gott das alles schon in die richtigen Bahnen lenken wird. Und wer aufgrund von Finks medialer Präsenz das Buch liest und etwas lernt über das Leben und den Tod, das Gebet, die Kirche und die Sakramente, über Gott selbst, der hat die ersten Schritte doch bereits genommen.
Da kann ich mich nur Finks kleinem Dankgebet am Ende des Nachworts anschließen: „Der größte Dank gilt immer meinem Gott: meinem himmlischen Vater, der mich ins Leben rief, Jesus Christus, der für mich Mensch wurde, aus Liebe für mich sein Leben hingab und von den Toten auferstand, und dem heiligen Geist, der in mir wohnt und der mich inspiriert, auch das Unmögliche zu wagen und dabei stets auf Gottes Führung zu vertrauen.“