Ist Freiheitsliteratur wie die „Tuttle-Zwillinge“ für Kinder wirklich notwendig? Besser anders gefragt: Wann sollten Kinder denn lernen, was Freiheit ist?
Kindern die Freiheit beibringen? Ist das wirklich notwendig? Sind die nicht eigentlich noch völlig unverdorben, was das Gefühl für Einschränkungen ihrer Freiheit angeht? Und ist dann eine Beschäftigung mit dem Thema Freiheit nicht schon fast eine Indoktrination? Sollten Kinder nicht selbst und alleine lernen, was es bedeutet, frei zu sein und sich seine Freiheit zu bewahren? Diese Fragen kann man sich stellen, wenn man den Ansatz der Buchreihe der „Tuttle-Zwillinge“ sieht, in denen durch den Autor Connor Boyack, illustriert durch Elijah Stanfield, Freiheitsthemen an den Mann oder eben an die Kinder gebracht werden sollen. Ich kann also jeden verstehen, der eine solche Buchreihe für kritisch hält … aber ich teile die Einschätzung nicht!
Die Freiheit hat keine Lobby
Kinder sind – nicht erst seit heute – vielfältigen Einflüssen ausgesetzt. Da sind zuvorderst die Eltern, aber in zunehmenden Maße auch Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen, Magazine und Medien, natürlich auch das generelle Umfeld aus Verwandten und Freunden. Wenn dort kein Gefühl für Freiheit mehr vorherrscht, sie im Gegenteil eher an den Rand gedrängt wird, dann besteht die große Gefahr, dass man den Kindern das Gefühl für Freiheit austreibt, bevor sie diese richtig entdeckt haben. Die Freiheit hat heute keine echte Lobby! Das sind oft nur Kleinigkeiten, aber schon das unhinterfragte Befolgen von staatlichen oder gesellschaftlichen Ver- und Geboten ist ein Warnsignal. Verbote mögen ihre Berechtigung haben … aber wäre es nicht besser, diese Berechtigung zu verstehen, als einfach anzunehmen, dass „die da oben“ schon wissen, warum es ein solches Verbot gibt?
Damit ist man auch beim zweiten Pferdefuß, den man sich mit der Freiheitsvermittlung – im durchaus libertären Sinn – an seine Kinder einhandelt: Auch elterliche Ver- und Gebote werden so unweigerlich hinterfragt. Das kann anstrengend sein, aber selbst wenn mich manche Diskussionen mit meinen Kindern mürbe machen, bin ich doch stolz, wenn ich sehe, dass sie meine „Anweisungen“ auch hinterfragen. Das macht mich optimistisch, dass sie das auch in anderen Umfeldern tun werden. Und das ist es doch, was ich vermitteln möchte: Du bist in Freiheit geboren, ich beschütze Dich auf Deinem Weg und bringe Dir bei, für die Nutzung der Freiheit auch Verantwortung zu tragen, vermittle Dir die Einsicht, warum es Abhängigkeiten gibt, die Deine Freiheit jetzt noch eingeschränkt erscheinen lassen. Das alles mit dem Ziel, dass Du als Erwachsener ein stabiles Gespür für Freiheit entwickelt hast, Dir nicht vormachen lässt, Du seist frei, wenn Du es in Wahrheit nicht bist.
Literarische Grundlagen der Freiheit
Zurück zu den Tuttle-Zwillingen: Die erfahren in kurzen Geschichten etwas über Freiheit und die Bedrohungen, denen die Freiheit ausgesetzt ist. Boyack bezieht sich in seinen Büchern auf Klassiker der Freiheitsliteratur, wie auf „Das Gesetz“ von Frédéric Bastiat oder „Ich, der Bleistift“ von Leonard Read. Ein bisschen einschränkend muss man dazu sagen, dass bei „Die Tuttle-Zwillinge und das Gesetz“ die Herleitung schon ein wenig gestelzt daherkommt, mit einem „weisen“ Nachbarn, der den Kindern erläutert, was in diesem Essay eigentlich im Kern drin steht. Andererseits: Meine Kinder haben aufmerksam zugehört und diesen stilistischen Mangel, wie ich ihn bezeichnen würde, gar nicht zur Kenntnis genommen. Vielleicht sollte man als Erwachsener seine Erwartungshaltung auch nicht auf die Kinder transferieren. Am Ende ist bei ihnen jedenfalls hängengeblieben, dass Diebstahl niemals erlaubt sein kann, Hilfe für andere immer der eigenen Motivation entspringen muss und eine Umverteilung, auch wenn sie durch den Staat, durch das Gesetz passiert, immer diejenigen auf den Plan ruft, die davon profitieren wollen – moderne Räuber und Piraten.
Großartig ist in dieser Geschichte auch der kleine Ausflug in die Frage, wie Gott den Menschen eigentlich geschaffen hat: Nämlich als frei! Auch das etwas, was ich meinen Kindern immer wieder zu vermitteln versuche, da ist es nicht verkehrt, wenn sie diese „Weisheit“ auch mal aus einer anderen Quelle hören oder lesen. „Die Tuttle-Zwillinge“ sind durchaus geeignet für Grundschulkinder, Jüngere haben da noch eher einen verspielten Ansatz, der sich über Piratenbilder freut. Das muss aber nicht bedeuten, dass man ihnen diese Geschichten nicht auch vorlesen kann. Da die Geschichten aber schnell erzählt sind, empfiehlt es sich, die Themen immer mal wieder unabhängig von den Büchern aufzugreifen. Meine Kinder haben jedenfalls direkt Bedarf an mehr „Tuttle-Zwillingen-Geschichten“ angemeldet, so dass die Bestellung für „Die Tuttle Zwillinge und der wunderbare Bleistift“ gerade rausgegangen ist.
Für Kinder und Eltern lesenswert
Wer also Kinder hat, die er nicht nur im Glauben sondern auch in der Wertschätzung der Freiheit erziehen möchte, für den kann ich diese Buchreihe nur empfehlen. Dann schadet es auch nichts, sich selbst mit den literarischen Grundlagen noch mal zu beschäftigen und sich darauf einzurichten, den einen oder anderen „Freiheitskampf“ mit den eigenen Kindern auszutragen. Auch wenn es mal anstrengend werden könnte: Lieber weiß ich, dass meine Kinder sich für Ihre Freiheit einsetzen, als wenn ich vermuten müsste, dass sie sich diese einfach nehmen lassen.
Jorge
Klingt wirkich sehr schön und vielversprechend, bis der Blogger den Lernerfolg seiner Kinder beschreibt: Sie haben gelernt, „dass Diebstahl niemals erlaubt sein kann“ (Robin Hood ist also out), dass „Hilfe für andere immer der eigenen Motivation entspringen muss“ (Eigentum verpflichtet also nicht mehr) und Umverteilung eine böse Idee von „Räubern und Piraten“ sei.
Da sind wir also doch wieder bei politischer Indoktrination gelandet. Kindern so etwas als „Freiheit“ beizubringen, darf man sicherlich tun (wir haben ja Meinungsfreiheit), sollte aber redlicherweise eben doch dazusagen, dass das ein verzerrter liberal-individualistischer Freiheitsbegriff für Reiche und Wohlstandskinder ist, der da eingetrichtert wird: Reiche dürfen sich an ihrer mit Geld erkauften Freiheit erfreuen und brauchen nichts weiter zu tun, denn die Armen sind ja selber schuld.
Aus libertärer Sicht mag das angehen, aus Sicht des anarchistischen Freiheitsbegriffs ist das kompletter Käse.
Die Kurve zu einem christlich-franziskanischem Freiheitsverständnis ist auf dieser klassisch-liberalen Grundlage jdfs. nicht zu kriegen, dazu fehlt hier eine Prise Bakunin. Wir sind nur frei, wenn und soweit unser Nächste frei ist bzw. insoweit wir zu seiner Befreiung beitragen. Deshalb ist Umverteilung für einen Christen nicht böse, Eigentum nur in engen Schranken erlaubt und dessen Wegnahme nicht unbedingt Diebstahl, wenn sie der Befreiung der Armen dient.
Papsttreuer
Hoppla, an der Stelle war meine Darstellung des Buches vermutlich doch zu kurz gegriffen. Über Robin Hood habe ich hier nicht den Stab gebrochen sondern über Prinz John. Wenn ich die Geschichte recht sehe, ist Robin Hood eine Reaktion auf ihn und den Sheriff von Nottingham. Das müsste man schon im Zusammenhang sehen. Auch wird in dem Buch nicht dargestellt, dass die Armen selbst schuld seinen, im Gegenteil wird die moralische Verpflichtung zur Hilfe gegenüber Bedürftigen als Grundlage des Zusammenlebens propagiert. Das ist auch, was ich – neben der Freiheit – meinen Kindern beizubringen versuche: Sie haben Freiheit, sie haben Verantwortung und sie haben – ich bewege mich hier ja zwischen „zwei Welten“ – eine moralische Verpflichtung vor Gott und den Menschen
Wenn meine Rezension das zu kurz kommen lässt, tut mir das insbesondere gegenüber den Autoren und Initiatoren leid.
Gero
Es liegt in der Natur der Sache, daß Umverteilung von „Reichtum“ (der Begriff ist sehr interpretationsfähig; je nachdem, auf welcher Seite des Lebens man steht) immer nur von Leuten gefordert wird, die erhoffen, sich dabei zu verbessern.
Anders herum empfindet man so ein Vorgehen eigentlich immer als Diebstahl.
Von daher taugt Robin Hood nur in unterprivilegierten Kreisen einer Gesellschaft als Held.
Was ich in solchen Diskussionen aber fast immer vermisse, ist das Eingeständnis, das jegliche Form von Besitz oder Vermögen erst einmal geschaffen werden muß.
Da steht die eigene Leistung und Mühe immer im Vordergrund.
Nichts, von dem, was einige so gerne verteilen möchten, ist einfach so da.
Hinter jedem Cent steckt ein krummer Rücken und eine Zeit, in der man seiner Familie fern ist.
Leute, die das vermissen lassen und dabei gleichzeitig „soziale Gerechtigkeit“ einfordern möchten, begeben sich moralisch auf die Ebene eines Bankbesuchers, der dort mit vorgehaltener Waffe ein „Geschenk“ einfordert.
Den idyllischen Hintergrund, vom bösen Sheriff von Nottingham vorher von seinem rechtmäßigen Besitz enteignet worden zu sein und deshalb auf Raubzüge gehen zu müssen, kann wohl keiner der bisher erlebten Gerechtigkeitsforderern vorweisen.
Drum wären da die Begriffe „Gier“ oder „Neid“ deutlich passender als „Gerechtigkeit“.
Für mich EIN Grund, den Grünen den Rücken zu kehren.
Ist schon ein Kreuz mit der Freiheit und der Gerechtigkeit.