Hat Matthias Matussek mit „White Rabbit“ das Pamphlet eines gekränkten Journalisten verfasst? Um das herauszufinden habe ich das Buch gelesen und mit dem Autor gesprochen.
Gerade erst hatte ich eine Rezension zu einem Buch veröffentlicht, dass sich mit dem Thema Journalismus und dessen Fehltritten in der Vergangenheit, deren Ursachen und auch deren Wurzeln beschäftigt hat. Und jetzt wieder eines zum Thema Journalismus? Ja, aber nicht nur, denn mit „White Rabbit oder Der Abschied vom gesunden Menschenverstand“ beschreibt Autor Matthias Matussek nicht nur das Innenleben der Branche, die sich gerne als vierte Gewalt und Hüterin der Demokratie darstellt, sondern auch die Entwicklung unseres Landes in den vergangenen drei Jahren.
Die Jahre des “weißen Kaninchens”
Er bringt damit, wie er im Gespräch ausführt, eine Trilogie zu Ende, die vom Mauerfall 1989 (mit „Palasthotel, Zimmer 6101“) über das deutsche Fußballmärchen 2006 mit einer Einladung zu einem neuen freundlichen Oatriotismus (mit „Wir Deutschen – Warum die anderen uns gerne haben können“) zur Hysterie der Willkommenskultur 2015 (eben mit „White Rabbit“) führt, in der er journalistische Inhalte und Reportagen der jeweiligen Zeit mit persönlichen Eindrücken über das Deutschland, über das er schreibt, verbunden hat.
Für ihn persönlich waren die jüngste Jahre des „weißen Kaninchens“ geprägt durch seinen wohl letzten Angestelltenjob als Journalist (bei der WELT), für die Nation allerdings durch politische Entwicklungen, die mit dem Aufstieg der AfD einhergehen und mit der Migrationsproblematik nur zu einem Teil beschrieben ist. Kein Wunder, dass Matussek bei dem dabei zu beobachtenden Mangel an gesundem Menschenverstand (der in Deutschland schnell mit „gesundem Volksempfinden“ verwechselt und dann in die äußerste rechte Ecke verbannt wird) Gilbert Keith Chesterton zum „Schutzheilgen“ seine Buches gemacht hat, der – wie er begeistert berichtet – immer schon der Überzeugung war, dass „Glaube und Realismus gleichzeitig notwendig sind“.
Chestertonkenner und Rampensau
Bei der Lektüre hat mich diese von mir geteilte Vorliebe für Chesterton besonders gefreut, den katholischen Konvertiten, „Defensor fidei“, lebenslustigen Menschen, Beweis dafür, dass es nicht der Katholizismus ist, der lebens- und freudenfeindlich wäre, sondern dessen Protestantisierung, und eben ein Vertreter des gesunden Menschenverstandes. Allerdings muss ich neidvoll zugeben, dass Matussek „seinen Chesterton“ deutlich besser gelernt hat als ich und nach der Lektüre von „White Rabbit“ Chestertons „Ketzer“ und „Orthodoxie“ wieder auf meinem Nachttisch gelandet sind, die vor einigen Jahren meine Einstiegsdroge in den katholischen und damit konservativen Glauben einerseits und in die hinter diesem Glauben stehende Idee von Freiheit geworden sind.
In seinem Buch macht Matussek allerdings auch seinem Ruf als Rampensau alle Ehre. Den Verpflichtungen des Angestelltendaseins entledigt – im Gespräch nennt er es eine „unermessliche Freiheit“ –, teilt er in deutlichen Worten gegen Illoyalitäten, persönliche Eitelkeiten und vor allem politischen Sendungsbewusstsein einer Vielzahl seiner Branchengenossen aus. Die – politisch links in der Wolle gewirkt – können mit fast jeder Provokation leben, aber nicht mit einer, die ihrem Weltbild widerspricht; was nicht nur wie ein Widerspruch klingt, sondern tatsächlich einer ist, den die Betreffenden aber nicht wahrhaben wollen oder geflissentlich zugunsten des Anscheins der eigenen Bedeutung ignorieren. Dazu passend: Seinen früheren Chef Ulf Poschardt bezichtigt er hinsichtlich des Kündigungsgrundes bei der WELT als Lügner. Offenbar zu Recht – bis heute ist kein Widerspruch zu diesem Vorwurf erfolgt.
Nun ist es immer so eine Sache, wenn jemand, der von einem System ausgespuckt wurde, sich anschließend gegen dieses wendet und darüber schreibt, Essays, Artikel oder eben Bücher. Ist da gekränkte Ehre im Spiel oder sind es Rachegelüste … oder der allzu verständliche Versuch, aus der Skandalisierung der eigenen Befindlichkeit noch Kapital zu schlagen? Das jedenfalls wird Matussek bisweilen in den Medien vorgeworfen, die ihn nicht mehr in den eigenen Reihen sehen wollen, weil er sich vom Mainstream verabschiedet hat. Das Gute oder auch das Bösartige an solchen Interpretationen: Sie sind nicht widerlegbar, und etwas vom geworfenen Dreck wird immer hängen bleiben.
Matusseks Geschichte aber keine Geschichte Matusseks
Dagegen spricht allerdings schon alleine der Titel, den Matussek als „Gift für die Ladenkasse“ bezeichnet und den er gegen erhebliche Widerstände im Verlag durchsetzen musste. Wobei er augenzwinkernd ergänzt „Keine Ahnung, warum das Buch kein Bestseller ist!?“ und ich ebenso augenzwinkernd eingestehen muss, dass diese Rezension das vermutlich nicht ändern, aber hoffentlich auch nicht schaden wird. Wer „White Rabbit“ jedenfalls nicht vorkonditioniert liest, entdeckt darin einen zwar – von ihm selbst zugegeben anhand seiner Vorliebe für Selfies – eitlen Menschen, allerdings keinen Gockel, der nur um sich selbst dreht.
Matussek erzählt seine eigene Geschichte – die Anekdoten aus seiner Reise durch die USA zu einer Tagung von „Chestertonians“, die einem den Mund offenstehen lassen, sind, wie er bestätigt, alle wahr, nichts übertrieben oder hinzugedichtet – macht an ihr aber nur deutlich, wohin sich unser Land in den vergangenen Jahren gedreht hat: Politik, NGOs, Kirchen, Medien (jeweils in ihrer Mehrheit, nicht vollständig) vereint in einer politischen Vision, die insbesondere in Deutschland von der Auflösung der Nation träumt, deren Geschichte sie auf die zwölf dunklen Jahre reduziert und daher ihre Existenzberechtigung bestreitet. „Vor solchen Entwicklungen zu warnen“, so Matussek „kann nicht verkehrt sein“ und meint damit nicht nur den Verlust des gesunden Menschenverstandes sondern auch die freiwillige Kapitulation vor den Feinden der „Freiheit, dagegen zu sein“.
Dazu ein Wahlvolk, das von dieser Entwicklung abgekoppelt wird, und dem nach einer verlorenen Wahl nur mangelndes Verständnis attestiert wird, wenn die Bundeskanzlerin unverblümt meint, sie könne nicht erkennen, was sie anders hätte machen sollen. Dabei werden politisch Andersdenkende mit dem Stigma des Attributs „rechts“ in die Nähe von Fanatikern gerückt, sodass der Mainstream argumentiert, eine Diskussion mit ihnen lohne nicht nur nicht, sie sei auch gefährlich, weil man mit ihr diese abweichenden Gedanken salonfähig mache. Überhaupt wird die politische Auseinandersetzung ersetzt durch Hinweise darauf, mit wem der politische Gegner befreundet ist, in welchen Medien er sich schon mal geäußert hat, wenn man sich nicht ganz auf eine ad-hominem-Argumentation beschränkt, die dem anderen bestenfalls unverschuldete Unkenntnis, eher aber bösen Willen unterstellt.
„Lügenäther“
Dieser „Krieg der Meinungen“, wie Matussek ihn benennt, tobte und tobt: Nicht nur gegen ihn selbst sondern gegen jeden, der sich der verordneten Einheitsmeinung widersetzt oder diese auch nur in Frage zu stellen wagt. Zweifel an der politischen Doktrin der Bundesregierung (wenn sie nicht darin bestehen, dass es noch lange nicht ausreichend Migration, Sozialstaat und Kampf gegen rechts gäbe) wird sanktioniert durch Shitstorms oder mediale Ermordung des Zweifelnden und Kritisierenden. Dabei muss, so Matussek im Gespräch, sich ein Journalist in Acht nehmen, „nicht aus Angst vor Zustimmung von der falschen Seite, die Wahrheit nicht zu schreiben.“ Im Buch klingt das so:
Wenn ich in diesen drei Jahren oft das Gefühl hatte zu ersticken, dann lag es an dem, was Sloterdijk den „Lügenäther“ im politischen Raum genannt hatte, dieses sinnbetäubende Gemisch aus Verfälschung und ausgesparter Wahrheit und Sprachregelung, so dicht, dass ich die Fenster aufreißen und schreien wollte. Doch ein Schulterschluss aus Politik und verbrüdertem Journalismus bildete einen Riegel, der schwer zu durchstoßen war.
So schreibt Matussek in seinen Schlussbemerkungen und darin werden sich Konservative, Christen und Freiheitsliebende wiedererkennen, denen der Muff der vergangenen 50 Jahre seit den 68ern des vergangenen Jahrhunderts langsam die Luft abzuschnüren droht.
Die wahre Intelligenz denkt heute rechts
Dabei ist „White Rabbit“ kein pessimistisches Buch, eher ein realistisches mit einem Ausblick auf das, was passieren wird, wenn es so weitergeht, aber mit guten Gründen, warum es so nicht weitergehen wird. Denn die Reaktion auf diese Entwicklungen hat längst eingesetzt. Man muss kein AfD-Wähler sein, man muss auch nicht – wie Matussek dies freimütig immer mal wieder öffentlich tut – Sympathien für die Identitären hegen, die derzeit in Österreich in einer Art Furor staatlicherseits mit Kontensperren und Hausdurchsuchungen drangsaliert werden, und deren Vorsitzenden Martin Sellner man gerade erst die Einreise nach England verweigert hat, wo er an der „Speaker’s Corner“ über Meinungsfreiheit sprechen wollte; und man muss einen Auftritt wie den Matusseks bei den Hamburger Montagsdemonstrationen nicht goutieren, um zu erkennen, dass die interessanten Alternativen derzeit die politische Rechte bildet.
Dies, so Matussek, wohlabgegrenzt vom Rechtsextremismus, der mit Gewalt agiert. Für Redebeiträge allerdings, da ist Matussek beinahe schon libertär, sollten die Grenzen des konsequenzenlos Sagbaren möglichst weit gezogen werden. Der Versuch, die Menschen diesseits dieser Grenze in die rechtsextreme Ecke zu stellen – „Bei der Montagsdemo auf der ich gesprochen habe, waren keine Nazis“, stellt Matussek fest, während allerdings auf der Gegenseite die „Prügelperser Angela Merkels“ aufmarschierten – ist letztlich nur eine Art verzweifeltes Aufbegehren eines noch bestehenden Mainstreams gegen eine gegen ihn gerichtete Avantgarde.
Man kann Matussek nur zustimmen, wenn er feststellt, dass die wahre Intelligenz heutzutage rechts denkt:
[…] und das von dort die scharfsinnigeren und kreativeren, vor allem aber realitätssüchtigeren Anstöße kommen, mit den Identitären als neuer APO. Man wird erkennen, der ordnungsstürzenden und verwahrlosenden Utopien müde geworden, wie fadenscheinig der linke Theorie-Tinneff war, der sich tatsächlich in einem langen Marsch durch die Institutionen gefressen hat, bis er im Kopf der CDU-Bundeskanzlerin landete, die damit zum Putsch von oben ansetzte, um die Nation im Säurebad der Europa-Elite und Kosmopoliten aufzulösen. Bis sie gebremst wurde durch das Volk.
Der Kampf für den gesunden Menschenverstand
Das ist denn auch die Hoffnung, die Matussek – wie sein Vorbild Chesterton ein „hoffnungsloser Fall von Kontroversialist“ – umtreibt, und die über seine eigene Geschichte weit hinausreicht. Man kann schwer den Sinn Matusseks für feine Selbstironie übersehen, die auch das Skandieren von „Widerstand, Widerstand“ mit aufgereckter Faust vor einer Hamburger Menschenmenge einschließt. Matussek schmunzelnd: „Ich wollte schon als 16-jähriger, damals noch Maoist, die Massen aufwiegeln.“
Wer sich aber unvoreingenommen auf das Leseabenteuer einlässt, der findet in „White Rabbit“ nicht nur eine Spiegelung eigener Einstellungen, sondern auch die Motivation, sich weiter einzusetzen gegen den Verlust des gesunden Menschenverstandes, gegen den Wahnsinn der uns in Themen wie Gender Mainstreaming, Frühsexualisierung der Kinder, Verächtlichmachung der Wurzeln unserer Gesellschaft mit viel Rücksicht auf zersetzende Kräfte von links oder anderer Religionen, begegnet.
Und zu guter Letzt: Wer nach „White Rabbit“ nicht neugierig auf Chesterton geworden ist und nach dessen Lektüre nicht zum gesunden Menschenverstand (zurück) findet, dem ist kaum noch zu helfen.
Lesebefehl? Jawohl!
Olli
Gott schütze uns vor den Konvertiten, vor allem denen aus dem linksextremen Lager, sie geraten geradezu physikalisch ins andere Extrem. Matussek ist ein Verblendeter, eine geradezu tragische Figur, dem auch die Nähe zum Benedetto nicht helfen konnte. Außerhalb der rechtspopulistischen Filterblase wird wohl niemand zu diesem Buch greifen, deshalb wird es natürlich auch nichts bewegen, ein Buch von einem Rechten für Rechte, abhaken.
Papsttreuer
Das Argument, Olli/Pulli/whatever, hatte ich natürlich nicht bedacht.
Gottes Segen für Sie!
Konrad Kugler
Links ist ein Hirnschaden. Das Dumme dabei, die Betroffenen merken es leider nicht. Right is right and left is wrong.
Der Sozialismus ist menschenfeindlich.
Konrad Kugler
Für ideologisch Behinderte. Es ist doch einfach dumm, die Welt anders sehen zu wollen, als Gott sie in seiner unermeßlichen Größe, Allmacht, Weisheit und Liebe geschaffen hat. FÜR UNS!
Die Masse der Intell..enzija ist offenbar nicht in der Lage, den weiberverachtenden Slogan „Wer zweimal mit der selben pennt, gehört schon zum Establishment“ in seiner ganzen Charakterlosigkeit zu erkennen.
Die Paarungen sind
Mann und Weib, biologisch
Vater und Mutter, sozial und öffentlich
Herr und Frau, öffentlich.
Der Mann muß heute sagen „meine Frau“, wobei diese sich diie Zunge brechen würde, wenn sie sagen müsste „mein Herr“.
Olli
Weder den kugelndem Kommentator noch dem Blogbetreiber scheint etwas Intelligentes einzufallen. Schade!
Gerd
Dass Olli das „schade“ findet, glaubt er oder sie wohl selber nicht. Wenn Intelligenz an der eigenen Blase abgeschmettert wird ist das nicht verwunderlich. Im übrigen sollte Gott uns nicht vor Konvertiten schützen, sondern z.B. vor Hagel und Unwetter vor Krankheiten oder einem plötzlichen Tod. Reicht das als intelligentes Argument?