Schon wieder Josef Bordat beim PAPSTTREUENBLOG, diesmal mit einer Rezension. Wer gelesen werden will, der muss eben schreiben. Und das macht Bordat gut.
Der Gläubige und der Atheist haben ihren Berührungspunkt im Zweifel. Egal mit welcher Vehemenz sowohl Gläubige als auch Atheisten ihre Überzeugungen vortragen: Ganz sicher können sie nie sein, dass ihre Weltsicht stimmt. Denn der Glaube ist per se nicht nachweisbar, die Verabsolutierung des Objektiven – als Grundlage der Ablehnung eines Glaubens an einen Gott – ist aber ebenso ein Glaubenssatz. Diese Weisheit stammt nicht von mir sondern von Papst Benedikt XVI., der das, damals als Kardinal Joseph Ratzinger, in seiner „Einführung in das Christentum“ in ähnlichen (sicher besseren) Worten beschrieben hat. Auf derartige Glaubenssätze trifft man auch bei der Kritik, die oft an der Kirche geübt wird. So ist die Sexualmoral, das Eheverständnis oder der Zölibat – um drei Reizthemen zu nennen – ohne einen Glaubenshintergrund kaum verständlich.
Außerkirchliche Perspektive
Aus einer außerkirchlichen Perspektive bleibt bei diesen Themen nur mehr die Frage, ob kirchliche (ethische oder moralische) Grundsätze der Gesellschaft auch außerhalb des Glaubens zu dienen in der Lage sind oder ob sie gewünschten gesellschaftlichen Entwicklungen bzw. eigenen Vorstellungen davon im Weg stehen. Auch ohne katholischen Glauben kann man dem katholischen Eheverständnis etwas abgewinnen. Wenn das Ziel aber sexuelle Permissivität ist, dann steht diese Eheauffassung einer solchen Zielsetzung natürlich im Weg.
Sie müsste sich dann, mangels Glaube, an unterschiedlichen mehrheitsabhängigen Wertesystemen messen lassen, anstatt umgekehrt als Messlatte für solche Werte zu dienen. Trotzdem hat Josef Bordat des Versuch unternommen, die gängigen Kritikpunkte (je nach Sichtweise auch Skandale), zu untersuchen anhand ihrer auch innerweltlichen Bedeutung. Er macht in seinem Buch „Von Ablasshandel bis Zölibat – Das ‚Sündenregister‘ der katholischen Kirche‘ durchaus auch die kirchliche Bedeutung dieser Themen klar – er schreibt aus der nicht neutralen Perspektive eines Katholiken – aber stellt sie dennoch in einen weltlichen Bezug.
Latrinenparolen …
Wenn er dabei vom „Ablasshandel“ zum „Zölibat“ an Frauen in der Kirche, Hexenverbrennungen, Kreuzzügen oder Unfehlbarkeit in insgesamt 36 Kapiteln so ziemlich alles an Themen in den Ring wirft, was Kirchenkritiker vorbringen, dann könnte man bei – verhältnismäßig überschaubaren – 290 Seiten glauben, er bliebe an der Oberfläche. Das tut er aber dankenswerterweise nicht, wenn man natürlich auch dennoch konstatieren muss, dass man mit Themen wie der Inquisition Bibliotheken füllen könnte ohne alle Aspekte vollständig durchdrungen zu haben. Im Wesentlichen geht es ihm aber auch nicht um eine vollständige Aufklärung aller Facetten sondern um mögliche Reaktionen auf oft polemisch vorgebrachte Kritik an der Kirche, die man – unter uns – auch als Latrinenparolen abhaken könnte
„Tausende schmachteten in den Verliesen der Inquistion“, „Millionen Frauen endeten bei der kirchlichen Hexenverbrennung auf dem Scheiterhaufen“ und auch heute besteht die Kirche „ganz überwiegend aus pädophilen Priestern, die an Ministranten ihren Ausgleich für einen widernatürlichen Zölibat suchen.“ – wer kennt sie nicht, diese mehr oder weniger offen vorgetragenen Anfeindungen, bei denen einem schon allein die Infragestellung der Wahrheit dieser Thesen das Prädikat eines Dunkelkatholiken einbringt. Da reicht es aber nicht, zu wissen, dass die vorgebrachte Kritik nicht – oder in den meisten Fällen jedenfalls nicht in der Ausprägung – stimmt, man sollte auch in der Lage sein, die tatsächlichen Fakten beizubringen.
… und echte dunkle Flecken
Genau darin liegt der Wert des Buches: die recht vollständige Behandlung aller wesentlichen „Sünden“ der Kirche und die Korrektur der Mainstreamsichtweisen auf solche Themen. Dabei erliegt Bordat nicht der Versuchung, der Kirche einen „Freispruch erster Klasse“ angedeihen zu lassen. Es gibt in der Kirchengeschichte – sie wird innerweltlich getragen von Menschen – eben auch dunkle Flecken, die Bordat bereits in der Einleitung anspricht, die auf einem weißen, sauberen Papier besonders hässlich wirken (und auch wirken sollen), die aber wiederum nicht dazu führen dürfen, das weiße gar nicht mehr zu sehen.
Wer sich einen schnellen Überblick über diese mal dunklen, mal kaum angegrauten Teile der Geschichte der Kirche verschaffen will, wer aber auch in der Lage ist, auch berechtigte Kritik zu akzeptieren, wer ein offenes Ohr für objektive Wahrheit jenseits von Wahrnehmungsdifferenzen hat, der ist hier genau richtig. Das Buch ist – weder für Kirchenkritiker noch –verteidiger – leichte Kost. Aber lohnend ist es in jedem Fall.
Gerd
„man sollte auch in der Lage sein, die tatsächlichen Fakten beizubringen.“
Sollte man. Allerdings leben wir, außer- und innerhalb der Kirche in einer Gesellschaft, die auf Fakten keinen Wert legt, diese, wenn sie vorgebracht werden, entweder einfach geleugnet oder schlimmer noch, ignoriert werden. Je älter ich werde, desto bestimmter hege ich den Verdacht, dass es unserem Herrn in aller erster Linie um die Verkündigung seiner frohen Botschaft ging, und weniger um die Überzeugung die dahinter stecken könnte.
Wenn ich z.B. bei einer privaten Feier auf meinen Glauben angesprochen werde und dann gleich in der Lage bin, diesen zu verteidigen, läuft etwas falsch in unserer Gesellschaft. Natürlich war das Zölibat ein Thema und pädophilen Priester und hast du nicht gesehen. Wenn das bei Zeitgenossen geschieht die mit der Kirche eh nix am Hut haben, geschenkt. Einen Beigeschmack bekommt diese Diskussion, wenn man als Mitglied in einem Pfarrgemeinderat mit denselben Floskeln zu tun hat, die man am Abend vorher, bei der Geburtstagsparty nur nervig fand. Auch dort wieder, die Verteidigung des Glaubens wie am Abend davor. Es ist gut, dass der Herr uns nicht aufgetragen hat auf jeden Mist mit Fakten zu antworten. Das kann hilfreich sein, ist es aber in den meisten Fällen nicht. Auch tröstet mich der Gedanke, dass ich nicht immer antworten muss, sondern einfach nur aushalten darf. Wir sollen und dürfen uns keine Gedanken über unsere Argumentationstrategie machen, denn, wenn wir etwas sagen sollen, sprechen nicht wir selbst, sondern der Geist der uns vom Vater verliehen ist. So, zumindest argumentiert Jesus.
Den Untertitel „Sündenregister der katholischen Kirche“ finde ich zumindest problematisch. Genauso könnte man schreiben: „Das Sündenregister der Kirche Jesu!“ Immerhin ist es „seine“ Kirche. Als Christ sündige ich, die Kirche kann nicht sündigen.
Gottes Segen
Konrad Kugler
Wer sein Hirn benutzt, das haben die Germanen lt. Tacitus getan, der kommt sicher zu dem Schluß, daß Sex nur in geordnete Verhältnisse gehört. Alles andere bewirkt
Unordnung a la Satanas. Dazu braucht es kein katholisches Hirn, ein relativ freies langt .
Wenn man den Teufel wegläßt, dann bleibt immer noch die Erkenntnis, daß eine ordentliche Lebensführung ein Segen für ein Volk/eine Gesellschaft ist. Auch alle anderen Angriffe gegen die Kirche sind nur das Ergebnis mangelnder Bildung.
Jede Ideologie ist ein Störfaktor in der Vernunft.
Als Walter (Card) Brandmüller in Mindelheim einen Vortrag über den Hexenwahn hielt, ging er auf meine Nachfrage vorsichtig von etwa 40 000 Opfern aus. Die Wissenschaft hat sich zZ auf etwa 50 000 festgelegt, beim Brand von Dresden auf 25 000.
Konrad Kugler
Ich bin nicht mehr Herr meiner Texte.
Papsttreuer
Ich kann ja auch mein Hirn benutzen und einfach die neueste und umfangreichere Version der Kommentierung nutzen.
Nebenbei: Bei der Zahl der Opfer der Hexenverfolgung muss man immer auch betrachten, welche tatsächlich durch die Kirche initiiert wurden (davon: welche katholisch) und welche staatlicherseits durchgeführt wurden. Ich habe das Buch, da ich unterwegs bin, gerade nicht zur Hand, aber die tatsächlich kirchlich verantworteten Hexenverbrennungen liegen noch deutlich darunter – und, was ich bezeichnend finde – in Bezug auf die Opfer moderner Ideologien (Sozialismus, Abtreibung) bei einem geringen Bruchteil.
Gottes Segen für Sie!