Wenn die Bedeutungen von Recht und Unrecht vertauscht werden, gerät der Rechtsstaat in Bedrängnis. Mit unabsehbaren Folgen für jeden von uns.

Es hat schon Orwellsche Züge, wenn krampfhaft versucht wird, den DDR-Unrechtsstaat nicht als „Unrechtsstaat“ bezeichnen zu wollen. Schließlich habe es dort doch Recht und Gesetz gegeben, wenn auch anders als im Westen. Und die Lebensleistung von ehemaligen DDR-Bürgern könne durch eine solche Wortwahl auch geschmälert werden.
Unrecht gab’s nur zu Nazi-Zeiten
Und natürlich die Nazi-Keule: Unrechtsstaat war nur das 3. Reich, danach kommt nichts mehr. Das passt den Linken dieser Welt und der Mauermörder-Nachfolgepartei natürlich ins Konzept. Wo käme man sonst hin, wenn man die zig Millionen Toten der sozialistischen Terrorregime des 20. Jahrhunderts Unrechtsstaaten zuordnen wollte, die nicht nur „Deutsches Reich“ heißen. Dabei will ich das DDR-Unrecht nicht mit dem Nazi-Unrecht vergleichen – Unrecht war aber eben beides.
Aber wenn Unrecht zu Recht wird, dann kann Recht natürlich auch zu Unrecht werden. Wer in diesen Tagen auf den Rechtsstaat pocht, zum Beispiel um Extremisten davon abzuhalten, Straßen lahmzulegen, der sieht sich ins Unrecht gesetzt. Unrecht, so lernen wird, kann nur sein, was moralisch verwerflich ist, Recht kann nur sein, was moralisch einwandfrei ist. Nur: So funktioniert ein Rechtsstaat in der Tat nicht.
Die „volle Härte“
Letztens las ich den Hinweis, ob es denn richtig wäre, wenn man Klimaaktivisten die „volle Härte des Rechtsstaats“ spüren lassen würde. Und ich frage mich: Was soll das sein, die „volle Härte des Rechtsstaats“? Ein Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass seine Rechtslegung und Rechtsprechung legitimen, ideal demokratischen Verfahren entspringt.
So regelt ein Staat – da es sich nicht um einen libertären Minimalstaat handelt, bleibt ihm nichts anderes übrig – das Zusammenleben der Menschen in den Feldern, in denen unterschiedliche Ansprüche an Gemeineigentum bestehen. Der eine will über die Straße, die dem Volk gehört, fahren, der andere möchte auf der gleichen Straße demonstrieren. Da es keinen Privateigentümer der Straße gibt, muss der Rechtsstaat das lösen. Und wer gegen die so gefundenen Regeln verstößt, der erfährt Sanktionen. Das hat nichts mit Härte, aber mit Rechtstaat zu tun.
Recht und Unrecht
Die Extremisten von „Extinction Rebellion“ (XR) verhalten sich gesetzwidrig, setzen ihre Meinung und ihre Ansprüche ungerechtfertigt über die Anderer. Das ist Unrecht und gehört geahndet. Fertig! Die DDR war keine Demokratie und Teile der Gesetzgebung waren nur darauf ausgelegt, Andersdenkende zu bestrafen, wirtschaftlich, körperlich, teilweise bis zum Tod. Das ist Unrecht und hätte geahndet werden sollen. Fertig!
Wie man auf den Gedanken kommen kann, Unrecht plötzlich Recht zu nennen? Ganz einfach, wenn insbesondere die eigene Regierung das auch tut: Euro-Rettung, Atomausstieg, geöffnete Grenzen … das alles sind Dinge, mit denen die Regierung ihre eigenen Gesetze und Zusagen bricht. Und immer mit dem Argument, das sei moralisch geboten und sowieso alternativlos.
Alles erlaubt, was sich rechtfertigen lässt
Insofern kann ich Frau Rackete, früher Menschenschleuserin, heute Straßenblockiererin, durchaus verstehen. Sie fühlt sich moralisch im Recht und meint daher, formales Recht außer Kraft setzen zu können. Spätestens als sie in Italien festgehalten wurde, und sich deutsche Politiker darin überschlugen festzustellen, dass sie keine andere Lösung als ihre Freilassung durch die italienische Justiz als rechtstaatlich zulässig betrachteten, wird es bei ihr Klick gemacht haben: Mit dem Argument ist alles erlaubt, was ich auch nur annähernd als moralisch gerechtfertigt betrachten kann.
Oder Rechtspositivismus
Nun ist aber die Frage einer in Gesetze gepackten Moral sowieso so eine Sache: Wir leben nämlich in Deutschland auch heute noch in einem Unrechtstaat, und das nicht nur wegen offensiven Rechtsbruchs wie Migrationspolitik oder tolerierter Straßenblockaden. 100.000 Kinder werden jedes Jahr abgetrieben und die deutsche Gesetzgebung betrachtet das als rechtsstaatlich nicht zu sanktionieren. Das größte Unrecht – die Verweigerung des Lebensrechts ungeborener Menschen – wird damit legitimiert.
Rechtspositivismus nennt man das, wenn man meint, was nicht verboten sei, sei auch moralisch gerechtfertigt und was verboten sei – in manchen Städten zum Beispiel das Demonstrieren vor Abtreibungskliniken – sei auch unmoralisch.
Rechtsbruch im Rechtsstaat
Was nun, kann sich jeder aussuchen, woran er sich halten soll? Sind Gesetze in Deutschland nur eine Richtschnur, an die man sich halten kann, wenn einem kein besseres Argument für das Gegenteil einfällt? Wo ist der Unterschied zwischen dem Anspruch der XR-Extremisten und meinem, Abtreibung trotz Gesetzen und Rechtsprechung als Unrecht zu benennen?
Es gibt zwei: Erstens lebe ich mit den Konsequenzen. Wenn eine Demonstration gegen Abtreibung mal verboten werden sollte, werde ich hingehen. Und ich lebe dann mit den Konsequenzen und werde im Zweifel bestraft. Womit ich nicht rechnen kann, ist, dass mir jemand aus der Regierung zur Hilfe eilt, weil ich doch nur aus „moralischer Verantwortung“ gehandelt hätte. Und zweitens setzte ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten dafür ein, dass es solch ein Unrecht (Verbot einer solchen Demonstration) niemals geben wird. So funktioniert ein Rechtstaat, nur so kann ein friedliches Zusammenleben in einem demokratischen Rechtstaat gewährleistet werden.
Politische Extremisten in den Startlöchern
Unrecht als Recht zu bezeichnen, weil es durchaus umstrittenen moralischen Maßstäben genügt, und Recht zu Unrecht zu deklarieren, weil man damit den zu Unrecht Handelnden schützt, höhlt den Rechtsstaat aus. Schwesig und Ramelow erweisen dem Rechtsstaat mit ihrem Diktum zur DDR ebenso einen Bärendienst wie alle diejenigen, die sich politisch hinter Blockaden wie die von XR stellen. Wenn aber der Rechtsstaat abdankt und nicht mehr ernstgenommen wird, dann werden sich das auch andere zunutze machen, denen es nicht nur um geschichtliche Einordnungen oder eine kurze Straßenblockade geht. Die Extremisten von links und rechts stehen in den Startlöchern und beobachten solche Versuchsballone sicher sehr genau. Die Politik der etablierten Parteien dagegen versagt gerade mal wieder auf ganze Linie.
P.S. Dass sich in einer weitgehenden Privatrechtsgesellschaft viele der genannten Probleme einfacher lösen ließen, sei hier nur erwähnt … sonst wird mein Beitrag wieder mal viel zu lang.
akinom
„Die Extremisten von links und rechts stehen in den Startlöchern und beobachten solche Versuchsballone sicher sehr genau. Die Politik der etablierten Parteien dagegen versagt gerade mal wieder auf ganze Linie.“
Das stimmt leider. Die Zeiten, dass alle demokratischen Parteien sich vehement gegen Rechts- und Linksextremismus gewandt haben sind vorbei. Heute marschieren alle Rot-Rot-Grünen Seit an Seit mit Liberalen und Anhängern der Parteien mit dem „C“ ohne jeglichen Gegenwind hinter der Flagge „Gegen Rechts“ her.
Kein Wunder, dass das von der anderen Seite als ungerecht empfunden wird und der besonders im Netz verbreitete rechte Extremismus immer radikaler und gewalttätiger wird.
Nur zwei Beispiele: Von den Medien unbeachtet hat die „PRO-CHOICE“-Bewegung ein anonymes Bekennerschreiben hinterlassend in blinder Zerstörungswut einen fürchterlichen Anschlag auf die Berliner Beratungstelle von Pro Femina/ 1000plus verübt. Das zweifellos berechtigte Medienecho auf den rechtsextremistischen Terroranschlag in Halle konnte dagegen niemand überhören und übersehen…
Die Vaterunser-Bitte „Dein Reich komme“ bete ich jetzt viel bewusster.
Stefan Schmidt
„Die DDR war keine Demokratie und Teile der Gesetzgebung waren nur darauf ausgelegt, Andersdenkende zu bestrafen, wirtschaftlich, körperlich, teilweise bis zum Tod. Das ist Unrecht und hätte geahndet werden sollen. Fertig!“
Das finde ich auch. So schön die Wiedervereinigung auch war und auch so richtig, es wurden auch Fehler gemacht.
Ein sehr gravierender ist meines Erwachtens nach, dass die DDR Diktatur nicht ordnungsgemäß und gründlich abgewickelt wurde.
Man hätte diesen Staat wie das dritte Reich auseinandernehmen müssen.
Damit meine ich nicht, dass man da hätte einmarschieren sollen.
Es hätte alles viel gründlicher gemacht werden müssen.
Wer hat wann, wo, wie unrecht gehandelt?
Wer hat gespitzelt und denunziert?
Wer hat gefoltert?
Von der SED-Führung ganz zu schweigen.
Und was ist jetzt? Statt mal zu versuchen das nahzuholen soll die Gauck-Behörde geschlossen werden….na toll.
Am besten schließen wir auch noch direkt Hohenschönhausen.
Der Partei „Die Linke“ wäre es sicher recht.
Sie ist auch nicht die SED-Nachfolgerin, sondern mit dieser identisch.
Die SED wurde nur zweimal umbenannt und einmal kam eine andere Partei hinzu.
Bernd Engelking
Auseinandernehmen? Und das die ex DDR wirtschaftlich vollständig ausgeplündert wurde, das zählt wohl nicht mit.
Jeder souveräne Staat hat das Recht selbst Gesetze zu erlassen wie er will. Wie wärs, wenn man auch hier einfach mal die DDR-Bürger fragen würde, wie sie ihren Staat rechtlich beurteilen, anstatt von außen anzuprangern, was einem nicht gepasst hat. Vielen Bürgern hat es vielleicht gepasst.
Gero
Hallo Herr Honekamp,
ich sehe, daß Sie immer noch nach Logik und Gerechtigkeit in den laufenden Veränderungen suchen.
Das ehrt Sie zwar als Mensch, halte ich aber nach all den Jahren des steigenden Entsetzens über das Handeln der Politik und den Bestrebungen einer totalitären EU-Regierung, hier jetzt bald den Sack ganz über dem letzten freiheitlich und demokratisch denkenden Bürger zumachen zu können, für etwas (Verzeihung) naiv.
Was muß denn noch alles passieren, damit Sie erkennen, daß es sich hier nicht um ein juristisch ausdiskutierbares Definitionsproblem von „Recht“ handelt, sondern um einen Frontalangriff auf die Menschlichkeit und den freien Geist?
Vielleicht befassen Sie Sich doch mal mit dem Hambacher Fest und dem darin wirkenden Geist unserer entstehenden Nation.
Dann werden Sie erkennen, daß von nichts Rettung kommt, was nur entfernt nach Merkel aussieht, riecht oder ihr nachfolgt.