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Das Heerlager der Heiligen: Dystopie oder Manifest?

31. August 2015 by Papsttreuer
Lesezeit 5 Minuten
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 Rezensionen

Wie man den Roman „Das Heerlager der Heiligen“ einschätzt, hängt stark davon ab, wie man den Realitätsbezug bewertet. Er sollte aber nachdenklich bezüglich einfacher Lösungen machen.

Die Neuauflage des 1973 erschienen Romans „Das Heerlager der Heiligen“ ist gerade im Antaios-Verlag erschienen. Ob das der Verbreitung dieses Werkes hilft, darf man bezweifeln, handelt es sich dabei um einen Verlag, in dem auch Autoren schreiben, die der politischen Neuen Rechten zugeordnet werden. Zusammen mit dem Vorwurf, dass es im Roman immer wieder rassistische Anklänge gebe, ist das wohl ein Garant dafür, dass er keiner größeren Leserschaft bekannt wird. Das allerdings ist schade, denn die dort skizzierte Situation und die unterschiedlichen Reaktionen von Politik, Medien und anderen gesellschaftsprägenden Kräften, hat einiges mit der aktuellen weltpolitischen Lage zu tun, die unter anderem geprägt ist von Millionen Menschen, die auf der Flucht vor politischen Repressalien, Folter, Unterdrückung, viele auch vor Hunger und Elend, sind. Sie ist allerdings auch nicht – so viel vorweg – eins zu eins zu übertragen.

Dieser Hinweis ist vor allem deshalb wichtig, weil man ansonsten schnell einer Fehleinschätzung des Romans aufsitzen könnte. Sucht man nach Informationen über den Autor Jean Raspail, so findet man dazu unterschiedliche Quellen, die zumindest nicht zwingend eine rassistische Einstellung offenbaren. Manche meinen aber dennoch, diese interpretieren zu können, wenn sie auf die Parallelen zum heute in der rechten Szene verbreiteten Konzept des Ethnopluralismus verweisen, der die „Reinhaltung“ von Gesellschaften nach ethnischen Kriterien propagiert, ohne gleichzeitig von einer Höher- oder Minderwertigkeit einzelner Ethnien zu behaupten. Grundsätzlich erscheint es mir aber legitim, eine erzählte Geschichte von der Historie und der Einstellung des Autors zu trennen – nur weil jemand möglicherweise politisch auf einem Weg ist, den ich nicht teilen kann, heißt das nicht, dass er nicht doch eine guten und bedenkenswerten Roman schreiben kann.

Die Geschichte des Heerlagers ist schnell hergeleitet: Aufgrund einer Hungersnot in Indien entscheiden sich Millionen Armer und Ärmster, den Seeweg nach Europa anzutreten, die Verhältnisse hinter sich zu lassen und dorthin zu reisen, wo sie ein bessere Welt vermuten. Aufgeschreckt durch den Aufbruch von einer Million Indern rätselt der Westen um eine adäquate Antwort – umso hysterischer je näher die Flotte sich Europa nähert und deutlich wird, dass die leise „Hoffnung“, die Flotte könne sinken, sich nicht erfüllen wird. Raspail stellt dabei zwei Alternativen gegenüber: Da sind einerseits die von Medien und den Kirchen vertretenen Versuche, eine „Willkommenskultur“ zu etablieren. „Wir sind alle Menschen vom Ganges“ ist einer der Slogans, mit denen deutlich gemacht werden soll, dass die zu erwartenden Menschenmassen ein Recht auf Aufnahme hätten. Dagegen stehen die Befürworter einer militärischen „Lösung“, die letztlich darin bestünde, die Menschen mit Gewalt zurück zu schicken, sie jedenfalls am Eindringen nach Europa zu hindern. Letztere Position, die nachvollziehbarerweise Menschenleben kosten wird, ist in der Zukunftsvision Frankreichs, die hier beschrieben wird, in keiner Weise mehrheitsfähig; sie wird – gemeinsam mit anderen mahnenden und kritischen Stimmen zu einem bevorstehenden Kulturbruch – zunächst nicht ernsthaft in Betracht gezogen.

Erst als die bisherigen Einwohner aus Südfrankreich zu fliehen beginnen – es stellt sich heraus, dass die Flüchtlingsflotte an der Cote d’Azur anlanden wird – wird die Problematik deutlich, die sich mit guten Worten alleine nicht wird lösen lassen: Wie geht man mit Millionen Flüchtlingen um, die nicht die Absicht zu haben scheinen, zu verhandeln, sondern sich das nehmen werden, was ihnen in den eigenen Augen zusteht? Wie geht man mit den bereits im Land lebenden Migranten um, die aufgrund der neuen Situation ebenfalls aufbegehren und nicht mehr im Dunkel der Satellitenstädte und unter der Wahrnehmungsgrenze der geborenen Franzosen leben wollen? Der Roman beschreibt dabei die unterschiedlichsten Blickrichtungen, unter anderem auch die der Kirche, die mit einer Mischung aus Naivität und Selbstaufgabe in der Geschichte nicht sonderlich gut weg kommt. – Eine Anekdote am Rande: Im Roman wird von „Papst Benedikt XVI.“ berichtet, und Raspail legte nach dessen Amtsantritt Wert auf die Feststellung, dass er den echten Benedikt nicht gemeint habe.

Als Autor nutzt Raspail die herbeigeführte Fiktion jedenfalls zur Darstellung einer Laborsituation, die in dieser Form wohl nicht auftreten wird, die aber die Grundsätze des gesellschaftlichen Lebens in Frage stellt: Wie würde man damit umgehen, wenn eine solche Situation einträte? Besondere Aktualität erhält der Roman durch anhaltende Flüchtlingsströme die auf dem See- und Landweg nach Europa drängen. Man hüte sich aber davor, diese Romandarstellung eins zu eins auf die jetzige Situation zu übertragen. Weder sind die Flüchtlinge, die weltweit vor Krieg, Verfolgung sowie Hunger und Armut fliehen, eine gesichtslose Masse, als die sie im Roman dargestellt wird, noch sind die Antworten, die man darauf sucht so schablonenhaft, wie sie die Protagonisten im „Heerlager der Heiligen“ darstellen.

Gerade wenn man versucht, einen solchen Roman auf aktuelle politische oder gesellschaftliche Probleme anzuwenden, ist es notwendig, die richtigen Kategorien zu wählen und nicht in die Falle zu tappen, einen Roman, auch als Dystopie, mit der Realität zu verwechseln. Im Roman bilden die „Armutsflüchtlinge“ aus Indien eine unterschiedslose Menge von Menschen, die sich im Einzelnen gar nicht äußern. Sie folgen einer – im Roman so benannten und beschriebenen – „Missgeburt“, die durch Ächz- und Stöhnlaute prophetische Weisungen zu geben scheint. Dahinter verblassen die persönlichen Schicksale der fliehenden Menschen, und das soll wohl im Romanplot auch so sein.

Dieser Umstand bildet auch die wesentliche Kritik, die man dem Roman gegenüber deutlich machen muss – oder eher an der undifferenzierten Rezeption durch Leser, die darin entweder das Pamphlet eines Rassisten oder die Beschreibung einer vor der Tür stehenden Katastrophe sehen wollen. Raspail spielt lediglich mit den Charakteren und mit Stilmitteln der Dystopie, die aussichtlos erscheint und aussichtlos erscheinen muss. Am Ende von „Das Heerlager der Heiligen“ hat das westliche Europa aufgehört zu existieren, ist überrannt von fremden Kulturen, die früheren Einwohner werden zu Fremden im eigenen Land, überbieten sich höchstens noch im Bemühen, den neuen Herren im Land zu dienen. In dieser Darstellung wird selbst eine menschenverachtende Truppe um einen in letzter Minute vom französischen Präsidenten eingesetzten General sympathisch, die sich der neuen Ordnung in einem kleinen Dorf widersetzt, mehr oder weniger wahllos Menschen tötet und am Ende von der Luftwaffe zusammengeschossen wird.

Versetzt man sich in die Situation der Protagonisten erscheinen die dargestellten Alternativen durchaus nachvollziehbar: „Willkommen“ oder militärische Abweisung der waffenlosen „Eroberer“, die sich ihrer Macht qua einfacher Menge durchaus bewusst sind. Das verleitet aber zu der Annahme, dass es zwischen den beiden Extrempositionen keine Grauschattierungen gäbe. Und Raspail liefert auch keine Auflösung: Es wird deutlich, dass er das Ende seines Romans als Niederlage betrachtet, bewertet aber die militärische Lösung andererseits ebenfalls nicht eindeutig. Geht man einen Schritt weiter und betrachtet die Situation im Roman als vergleichbar mit der Lage Europas mit Blick auf den Flüchtlingsstrom, kommt man womöglich zu dem Schluss, dass man sich als Europäer diesem Ansturm erwehren müsse. Dann erscheint die Masse der Flüchtlinge, die eine Wahrnehmung als Individuen beinahe verunmöglicht, wirklich als Bedrohung – und wird der Roman in der Tat zu einem rassistischen Werk, dass das Mitleid und die Verantwortung für die Ärmsten, für deren Schicksal man persönlich nichts kann, geringachtet.

Abschließend wird durch diese Inhalte und Wendungen der Geschichte verständlich, warum große Verlage das Buch nur mit langen Fingern anfassen. Dem Vorwurf, rassistische Romane zu verlegen, möchte sich niemand aussetzen. Das verdeutlicht gleichzeitig, wie schwer der Umgang mit unterschiedlichen Vorstellungen in der Flüchtlings- und auch in der Migrationsthematik geworden ist. Positionen, die den – vermeintlichen – politischen Konsens in Frage stellen, haben nicht nur keine Aussicht auf Erfolg, sie haben kaum Aussicht, überhaupt gehört zu werden, mediale Aufmerksamkeit zu erregen.

Das „Das Heelager der Heiligen“ im Antaios-Verlag erschienen ist, macht es nun leicht, ihn und die dort zu findenden Ansätze in die „rechte Ecke“ zu stellen. Trotzdem ist der Roman lesenswert, wenn man ihn nicht als politisches Manifest oder als Anleitung zum Umgang mit Migrations- und Flüchtlingsproblematiken betrachtet, sondern als das, was er ist: Eine Dystopie, die in ihrer Radikalität die „einfachen Lösungen“ in Frage stellt.

Anmerkung: Eine etwas kürzere Fassung dieser Rezension wurde am 29.08.2015 in der katholischen Zeitung „Die Tagespost“ (derzeit nur einsehbar für Abonnenten) veröffentlicht.

Jean Raspails „Das Heerlager der Heiligen“ ist 2015 in einer Neuübersetzung im Verlag Antaios erschienen:
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Posted in: Gesellschaft, Glauben, Politik, Rezensionen Tagged: Antaios, Das Heerlager der Heiligen, Dystopie, Ethnopluralismus, Flüchtlinge, Flüchtlingspolitik, Jean Raspail, Rassismus

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