Verstörend an Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ ist, dass er so wenig verstörend wirkt.
Bislang habe ich mich an Rezensionen von Romanen nicht herangetraut – mit „Unterwerfung“ werden meine Leser also Zeugen einer Premiere. Der Grund für meine Zurückhaltung war, dass ich mich auf dem literarischen Parkett nur wenig auskenne, zwar früher ein „Romanfresser“ war, mich an viele der im Akkord bei Bahnfahrten gelesenen Werke aber kaum noch erinnere. Und aufgeben tue ich diese Zurückhaltung, weil das Thema des Romans, eher zufällig, auf aktuelle Ereignisse trifft: Das Veröffentlichungsdatum des Buches war der gleiche Tag, an dem der islamistische Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo verübt wurde. Und der Roman handelt – zumindest in einem Strang – von der Islamisierung Frankreichs.
Houellebecq führt dabei in eine nicht allzu ferne Zukunft, ins Jahr 2022, in dem aufgrund politischer Entscheidungsfindung eine islamische Partei, die Bruderschaft der Muslime, den französischen Staatspräsidenten, Mohamed Ben Abbès, und die Mehrheit in der Regierung stellt. Und was in dem Zusammenhang folgt, sich erst abzeichnet und sich dann Bahn bricht, ist tatsächlich verstörend: Enthauptungen, Folter von Ungläubigen, Auspeitschen von unwilligen Frauen, erzwungene Konversionen, abgehackte Hände von Ladendieben, an Fahnemasten aufgehängte Intellektuelle und Priester … all das findet nicht statt! Ich gebe zu, ich hatte bei Erscheinen von Houellebecqs Roman die Beschreibung von Akif Pirinçci aus seinem Buch „Deutschland von Sinnen“ im Hinterkopf, die genau in diese Richtung gingen – ebenfalls in eine nicht allzu ferne Zukunft verlegt (Kapitel „Der Islam gehört zu Deutschland wie die Reeperbahn nach Mekka“, Seite 67ff.). Nichts davon – jedenfalls nicht in der Prägnanz – findet im Roman statt.
Mancher mag meinen „noch nicht“, schließlich sei das Szenario ja doch erst der Beginn der Islamisierung, der Machtübernahme durch eine „Muslimbruderschaft“, deren Führer von einem Großreich träumt, an dessen Ende schon auch das stehen könnte, was heute im Einzugsbereich des IS zu beobachten ist. Allerdings: Nichts im Roman gibt Anlass zu dieser Vermutung! Terror und Ausschreitungen finden im Roman auf beiden Seiten – islamistischen wie islamfeindlichen, vertreten durch die in Frankreich starke Identitäre Bewegung – statt. Den Islamisten einen gewaltsamen Umsturz vorzuwerfen, gelingt auf Grundlage der Erzählung nicht. Was eher schon an die gesellschaftliche Entwicklung dieser Tage erinnert ist die schleichende Selbstaufgabe der Politik: Über Islamismus, auch über Ausschreitungen in diesem Zusammenhang, wird in den Medien im Roman aus dem Grund nicht berichtet, weil dies zu Wahlerfolgen des rechtsextremen Front National führen könnte – überhaupt gelingt die Machübernahme durch die Muslimbruderschaft nur, weil sich Konservative und Sozialisten nur dahingehend einig sind, den FN verhindern zu wollen und die Regierung einer anscheinend gemäßigten islamistischen Partei als das geringere Übel ansehen – Ähnlichkeiten mit der deutschen Vergangenheit sind vermutlich nicht zufällig.
Und in diesem Szenario findet sich der Erzähler aus „Unterwerfung“ wieder, François, ein Literaturprofessor an der Sorbonne, chronisch gelangweilt von seinem Leben, seinen amourösen Eskapaden, mit einem Drang zum Glauben aber ohne echte Leidenschaft. Der verliert zunächst aufgrund der neuen Regierung seinen Job, nur um ihn anschließend gegen deutlich höheres Entgelt zurück zu bekommen. Gegen mehr Geld, aber auch gegen Wohlverhalten – seine angedeutete Konversion zum Islam wird seitens der Universitätsleitung, vertreten durch den bereits konvertierten Robert Rediger, positiv bewertet. Für ihn dagegen besteht das wohl einzige wirkliche Argument für den Islam in der Vielehe, die ihm offenbar mehr Möglichkeiten der Lebensgestaltung eröffnet, als er gedacht hätte.
Der Begriff Unterwerfung kommt in dem Roman – jedenfalls prägnant, möglicherweise habe ich ihn an anderer Stelle überlesen – nur an einer Stelle vor, bei der es um den sado-masochistischen Roman „Geschichte der O“ geht:
„Es ist die Unterwerfung“, sagte Rediger leise. „Der nie zuvor mit dieser Kraft zum Ausdruck gebrachte grandiose und zugleich einfache Gedanke, dass der Gipfel des menschlichen Glücks in der absoluten Unterwerfung besteht. […] Für mich besteht eine Verbindung zwischen der unbedingten Unterwerfung der Frau unter den Mann, wie sie in ‚Geschichte der O‘ beschrieben wird, und der Unterwerfung des Menschen unter Gott, wie sie der Islam anstrebt.“
Was hier allerdings zum Ausdruck kommt – abgesehen davon, was man vom zitierten Roman hält -, die Kraft, die Leidenschaft, die aktive Unterwerfung, sei es sexuell oder spirituell, ist in gewisser Weise das Gegenteil dessen, was François aus seinem Leben macht. Houellebecq selbst hat in einem Interview in der Zeit geäußert, dass er sich ein Leben in einem moderaten islamischen Staat vorstellen könnte – mit den Worten: „Ja, wenn man glaubt, ist das möglich.“
Was hier durchscheint ist die rationale Tatsache, dass sich ein glaubender Mensch durchaus unterwerfen kann, wenn es seinen Glaubensüberzeugungen entspricht. Dies macht auch deutlich, dass es sich bei „Unterwerfung“ nicht um einen islamkritischen Roman handelt. Es ist allerdings ein gesellschaftskritischer Roman, denn François trifft keine Glaubensentscheidung, er unterwirft sich nicht mit einem kraftvollen Akt – er unterwirft sich aus Bequemlichkeit mit Aussicht auf sexuelle Abenteuer. François steht insofern für die westliche Gesellschaft, die Spiritualität im Wesentlichen als Zeitvertreib sieht, so wie François seinen Aufenthalt in einem katholischen Kloster oder seine kleinen literarischen Ausflüge in die Glaubenswelt – eher als Beobachter, aber nicht beteiligt, schon gar nicht mit dem Herzen bei der Sache.
Selbst seine imaginierte Konversion – im letzten Abschnitt des Romans durchgängig im Konjunktiv beschrieben – ist geprägt von Äußerlichkeiten, durchaus transparent und klar, aber ohne innere Anteilnahme. Francois stellt sich seine Konversion zum Islam vor, stellt sich vor, wie der die islamischen Formeln spricht – aber er trifft im Grunde eben keine Entscheidung. Er kämpft für nichts, nicht mal für sich selbst. Der Roman endet mit seinen Worten „Ich hätte nichts zu bereuen.“ Besser als in einen solchen Satz kann man fehlende Kraft kaum zum Ausdruck bringen. Wir können nur hoffen, dass wir nicht eine Gesellschaft von Françoises sind, die sich auf diese niedrige Art und Weise unterwerfen.
Und doch bleibt am Ende das Gefühl, die Islamisierung könne auch in Deutschland, trotz anderer Demographie, in ähnlicher Form ablaufen. Der unbedingte Wunsch, keine klare Position einnehmen zu müssen, ja nicht anzuecken beim Primat der Multikultur, die Negierung von kulturellen Problemen aus Einwanderungen insbesondere aus dem islamischen Kulturkreis sowohl in den Medien als auch in der Politik, alles gepaart mit einer nicht mal ablehnenden sondern neutralen, gleichgültigen Einstellung zum Glauben und zu den spirituellen Wurzeln der Gesellschaft – das macht wenig optimistisch. Der Roman verstört darum eben nicht aufgrund der Islamisierung – er verstört aufgrund des Umgangs der Protagonisten damit. Der Satz ist nicht neu: Nicht der Islam ist das Problem sondern der Zustand der säkularen Gesellschaft! „Unterwerfung“ kann in dieser Hinsicht ein Weckruf sein.
Michel Houellebecqs „Unterwerfung“ ist im Januar 2015 im DuMont-Buchverlag erschienen und auch als eBook erhältlich:
Weitere Rezensionen auf PAPSTTREUERBLOG.
Dieter Krause
Ich glaube in Deutschland nicht an solch ein Islamisierungsszenario wie in UNTERWERFUNG fiktional beschreiben! Auch weil der Islam (und vor allem auch die Islamisten) untereinander viel zu sehr zerstritten sind. Im übrigen hat der Prophet Mohammed mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht wirklich gelebt – der Koran kann deshalb auch nicht das unerschaffene Wort Gottes sein! Können Sie alles hier – sehr gut wissenschafctlich untermauert – nachlesen. Es ist die Website, die alle Muslime und Islamisten in Rage versetzt:
http://www.inarah.de/cms/vom-muhammad-jesus-zum-propheten-der-araber-1-teil.html
Gute Website! Reflektiv, überlegt, manchmal aber etwas zu zaghaft. Im übrigen muss sich auch der Katholizismus (und das Christentum insgesamt) auch ständig erneuern. Vielleicht bräuchte man mal wieder so ein Konzil wie das von Nizäa 325 n.Chr. – aber eines für die gesamte Christentheit! Es ist doch seitdem einiges geschehen oder?
D.K.