Bin ich ein Aasfresser oder die Pest? Das darf man sich als Konservativer nach der Lektüre von „Gefährliche Bürger“ aussuchen.
Das Buch kann man nicht unbeteiligt lesen, es ist keins, das einen gänzlich kalt lassen kann. Denn wenn es erstens um Rechtsextremismus geht, dann wird heute mit den fremdenfeindlichen und teilweise gewalttätigen Aktionen vor Flüchtlingsheimen jedem klar sein, dass es dieses Problem gibt. Dabei ist noch nichts darüber gesagt, welche Relevanz es hat, es wäre aber unverantwortlich, es zu negieren. Und wenn man sich zweitens latent angesprochen fühlen muss mit dem Titel „Gefährliche Bürger“ dann ist es auch eine Herausforderung, das Buch unvoreingenommen zu lesen.
Ich habe es trotzdem versucht, und musste doch irgendwann den Gedanken aufgeben, dass ich viel Positives über das Werk schreiben werde. Denn es strotzt vor Allgemeinplätzen, die Bednarz und Giesa ansonsten den „Rechten“ oder der bzw. den von ihnen leider an keiner Stelle definierten „neuen Rechten“ gerne vorwerfen.
Da ist dann bereits zu Beginn von den Neurechten zu lesen, die einen antiliberalen völkischen Staat etablieren wollen, und es wird mal ganz schnell ohne weitere Erläuterung Sophokles zitiert, der gesagt haben soll „Die Aasfresser tragen die Pest in die Stadt“ und die Autoren fügen hinzu: „Und die Pest, das wissen wir heute, konnte jeden treffen.“ Im Weiteren des Buches habe ich mich also gefragt, wer denn hier nun die Aasfresser sind: Sollen das die Radikalen sein, die Molotowcocktails in Flüchtlingsheime werfen? Sind es rechte Demagogen von NPD und neueren rechten Parteien? Ist es die immer wieder im Buch gescholtene AfD, die immerhin zwischenzeitlich deutlich über 5% Wählerschaft lag, auch wenn sie es nicht in den Bundestag geschafft hat?
Oder gehören dazu auch diejenigen, die sich nicht den Mund verbieten lassen und auch zu konservativen Positionen stehen, selbst wenn diese nicht dem Mainstream entsprechen? Thilo Sarrazin darf natürlich in der Riege der Überbringer von Nachrichten, die Bednarz und Giesa so ungern kommuniziert wissen wollen genau so wenig fehlen wie Akif Pirinçci. Genannt werden aus dem katholischen Umfeld auch Matthias Matussek oder Alexander Kissler, die teilweise recht pointiert kommentieren. Aber auch Birgit Kelle findet ihren Platz in der Reihe (weil sie mal einem nationalkonservativen Organ, der „Sezession“, ein – übrigens sehr lesenswertes – Interview gegeben hat) unter Jürgen Liminski, dem Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels oder der Journalistin und Bloggerin Barbara Wenz.
Die letzteren werden in einem Kapitel thematisiert, das überschrieben ist mit „Die rechten Christen – Wo der Hass im Namen des Herrn regiert“, und auf das ich naturgemäß besonderes Augenmerk gerichtet habe. Bednarz und Giesa vermeiden es dabei, die Angesprochenen direkt dieses Hasses zu bezichtigen, die Intention ist aber klar und wird mit einem angeführten Zitat von Andreas Püttman verstärkt: „Selbstreferenziell, selbstgerecht, selbstmitleidig, denunziatorisch, unbarmherzig und unversöhnlich bis zur Rachlust.“ Die Buchautoren geben noch erläuternd dazu: „Was für eine präzise Beschreibung der neuen Rechten, könnte man meinen. Diese Aufzählung von Andreas Püttmann bezog sich allerdings auf die Rechtskatholiken, denen er eine ’narzisstische Kirchlichkeit‘ bescheinigt. Spätestens jetzt wird klar: Da fand in den letzten Jahren zusammen, was zusammengehört. […] Die Angst vor der Hölle scheint angesichts der ‚Angst“ vor einer Islamisierung und dem anschließend vermeintlich folgenden Untergang des Abendlandes in den Hintergrund getreten zu sein. Man hat den Impuls, für manche dieser armen Seelen spontan beten zu wollen.“
Es sind derartige Herablassungen und Verallgemeinerungen von Positionen, die das Buch für einen Leser, der sich wirklich Mühe geben will, es auch selbstkritisch zu lesen, so schwer erträglich machen. Denn eben diese Selbstkritik gehen Bednarz und Giesa vollständig ab. Selbstreferenziell? Selbstgerecht? Denunziatorisch? Passt nicht schlecht dazu, dass als „Gefährliche Bürger“ alles subsumiert wird, was den beiden nicht in das linksliberale Weltbild passt.
Dabei reicht es auch schon, in einem Magazin wie der angeblich neurechten „eigentümlich frei“ (die Autoren bleiben einen stichhaltigen Beweis für diese krude Interpretation der Richtung des Magazins schuldig) oder der konservativen „Jungen Freiheit“ publiziert zu haben. Es geht den beiden offenbar nicht darum, was jemand schreibt, sondern wo. Da ich selbst für die „eigentümlich frei“ schreibe, möchte ich das Magazin hier nicht weiter verteidigen. Aber wer sich die Liste der honorigen Interviewpartner und Autoren der „Jungen Freiheit“ ansieht – darunter politische Persönlichkeiten wie Egon Bahr, Peter Glotz, Roman Herzog oder Journalistenlegende Peter Scholl-Latour – der muss sich und auch Liande Bednarz und Christoph Giesa mit den Worten von Klaus Kelle fragen: „Sind das jetzt alles Rechtsextremisten?“
Die Autoren, allen voran Liane Bednarz, wiesen nach Veröffentlichung des Buches immer wieder darauf hin, dass es sich nicht um ein wissenschaftliches Werk handelt, sondern um eine Art „Appell an das demokratische Herz in jedem Einzelnen von uns“ (so der Umschlagtext). Dazu würde aber zumindest wesentlich gehören, zwischen den unterschiedlichen Graden von konservativer oder rechter Orientierung zu unterscheiden, genau so wie zwischen den unterschiedlichen Bedeutungen der zitierten und angegriffenen Persönlichkeiten.
Interessant ist in dem Zusammenhang was Armin Pfahl-Traughber von der Aktion „Endstation Rechts“ (ein Projekt der Jungsozialisten in der SPD Mecklenburg-Vorpommern, darum hoffentlich unverdächtig) in einer lesenswerten Rezension unter dem Titel „Gut gemeint, aber nicht gut gelungen“ schreibt: „Die Autoren haben sich offenkundig noch nicht lange mit der Materie beschäftigt. […] Bednarz und Giesa kennen auch nicht die Fachliteratur zur intellektuellen „Neuen Rechten“ und ignorieren komplett Diskussion und Forschungsstand zum Thema. Bedeutungslose Randfiguren und relevante Protagonisten werden in einem Atemzug genannt, ohne die gesellschaftliche Relevanz und politische Wirkung näher zu gewichtigen. […] Es gibt durchaus Gefahren von rechts, nur werden diese in diesem Buch nicht besonders differenziert untersucht.“
Damit wäre eigentlich alles Notwendige über das Buch gesagt. Einige Worte aber noch zum politischen Weltbild der Autoren. Bei der Frage, wie man der/den „neuen Rechten“ denn entgegentreten könne, kommen sie unter anderem auf ein Zitat von Lucius Accius: „Mögen sie hassen, wenn sie nur fürchten“. Abgesehen davon, dass es sich dabei auch um ein Lieblingswort des – sagen wir mal eher unsympathischen – römischen Kaisers Caligula gehandelt hat, versuchen die beiden anschließend vergeblich deutlich zu machen, dass es ihnen nicht um Angst geht, nicht um die Etablierung einer erweiterten Political Correctness, die sie verbreiten möchten
Sie plädieren dafür, bestimmte Positionen zu verunmöglichen und aus dem Diskurs auszuschließen: „So wird das Tabu dadurch institutionalisiert, dass man dem ‚Man wird ja wohl noch sagen dürfen‘ ein ‚Nein, darf man nicht‘ entgegenhält ohne das damit eine irgendwie geartete juristische Konsequenz verbunden wäre.“ – Was anderes steckt da dahinter als Political Correctness?
Dazu kommt noch, dass die Autoren zumindest bei den radikalen Rechten von einem nicht weiter zu hinterfragenden Hass als Motivation ausgehen, bei dem sie sich jeder Argumentation verweigern wollen, indem sie postulieren „Hass braucht keine Begründung. Er existiert um seiner selbst willen. Deswegen ist es auch müßig, nein, sogar falsch, Gründe für den Hass zu suchen und ihm damit eine Legitimation zu geben, die er niemals besessen hat und niemals besitzen wird.“ Wunderbar hat man sich auf diese Weise der Notwendigkeit der Argumentation entledigt, den politischen Diskurs eingehegt auf opportune Thesen, die sie weit enger eingeschränkt sehen wollen, als durch rechtliche Regelungen durchsetzbar.
Vor dem Hintergrund mutet der Aufruf zu „Mehr Mut zur Meinung“ am Ende des Buchs fast zynisch an. Bednarz und Giesa ermutigen nicht zur Meinung, sie fordern lediglich auf, die in ihren Augen richtige Meinung zu vertreten. Natürlich ist es notwendig, den extremen Rechten mit einem Mut zur freiheitlichen Meinung entgegenzutreten – Ein politischer Diskurs geht aber anders als sich Bednarz und Giesa das vorstellen.
So wendet sich der Titel des Buches „Gefährliche Bürger“ am Ende sogar gegen sie: In einer politischen Welt nach den Vorstellungen von Liane Bednarz und Christoph Giesa, in der Argumente nur noch zählen, wenn sie von den richtigen Personen in den richtigen Medien und dem ihrer Ansicht nach richtigen Inhalt vorgebracht werden, verdient die Bezeichnung Demokratie nicht.
Weitere Rezensionen auf dem PAPSTTREUENBLOG:
Pirkl
Ich habe das Buch nicht gelesen. Aus gutem Grund: ich kenne die Autorin persönlich. Als Ex-und Hin- und Her Neu-/Ent-Facebook Freundin meiner Frau. Sie war schon bei uns. Sehr gute Juristin, die glücklicherweise nicht in dieser überfüllten Branche arbeiten will. Ihr Ehrgeiz liegt in der Journalistik. Sie hat auch schon für die „Tagespost“ geschrieben. Nun hat sich wohl die Gelegenheit ergeben, zusammen mit einem FDPler, dessen Partei vom Aussterben bedroht ist, aufzufallen. Und meines Erachtens geht’s nur darum. In der modernen Massenmediengesellschaft heißt es auffallen, ob positiv oder negativ ist fürs Marketing erstmal zweitrangig. Und: sie hat ihr erstes Buch geschrieben. Gratulation.
Fazit: nicht allzu ernst nehmen. Der Verrriss des Buchs in der FAZ ist in der Sache wohl berechtigt. Verkennt aber das eigentliche Ziel der Autorin?
Ralf B.
Diese Frau Bednarz ist schon ein wahres Organisationstalent… Die schiebt eine 24-Stunden-Bereitschaft auf ihrem eher kindisch anmutenden Facebookaccount und arbeitet noch in einer Kanzlei als Juristin. Was von den beiden Dingen nebenbei stattfindet ist zweitrangig.
Hoffentlich arbeitet sie in der Kanzlei nicht so, wie sie oberflächlich und verallgemeinernd auf FB schreibt und mit der Oberflächlichkeit und der geringen Schlussfolgerungslogik, mit der sie ihr Buch verfasst hat:
Der Unterschied zwischen einer notwendigen und hinreichenden Bedingung für die Beschreibung eines Sachverhalts ist ihr nämlich wohl noch nicht untergekommen.
Daran krankt ihre komplette Argumentation auch auf FB. Diffamierung und Denunziation als Abwehrrhetorik sind dann ihr Mittel der Wahl.
Sie glaubt wohl selbst, dass sie eine gute Sache betreibt und dass es ihr nicht „nur“ um Aufmerksamkeit geht um eine journalistische Karriere zu beginnen. In welchem Zustand muss man sein, wenn so eine Meinung nur noch im Oberbewusstsein Platz hat und durch das Verhalten nicht mehr gedeckt ist.
Sie ist doch irgendwie eine sehr arme Frau.
Je mehr sie sich dessen bewusst wird, um so aggressiver und diffamierender schreibt sie. Hoffentlich kann ihr jemand helfen und es geht nicht ganz schlimm aus!