Douglas Murrays „Der Selbstmord Europas“ ist keine Kampfschrift sondern eine eingehende Analyse. Gerade das macht es aber so aufrüttelnd.
Es ist ja nicht so, als ob es nicht mahnende Stimmen gäbe. Und gerade in diesen Tagen kommen sie heraus und argumentieren im Brustton der Überzeugung, dass das Thema Migration nicht so einfach wäre, wie man sich das vorstellte. Politiker fast aller Parteien überschlagen sich darin, auf die Gefahren von Flüchtlings- und Migrationsbewegungen aufmerksam zu machen. Als Beobachter möchte man ihnen entgegentreten und sie anschreien: „Das wissen die, die es wissen wollen schon lange, aber sie trauen sich bis heute nicht, es zu sagen, weil sie dafür von Leuten wie Euch in die rechte Ecke gestellt werden!“
The Strange Death of Europe
Einer, der sich getraut hat und bereits 2017 in England ein intensiv und international recherchiertes Buch über das Thema verfasst hat, ist Douglas Murray. In Deutschland ist es vor kurzem unter dem Titel „Der Selbstmord Europas – Immigration, Identität, Islam“ erschienen. Besser gefällt mir allerdings der englische Originaltitel „The Strange Death of Europe – Immigration, Identity and Islam“. Denn es ist eigentlich kein echter Selbstmord, es ist eher ein staatlich sanktionierter und in Teilen bewusst geförderter Mord an Europa, an der europäischen Identität, durch Massenimmigration vor allem aus dem islamischen Raum.
Für solche Formulierungen würden einen auch noch heute manche Geisterjäger in die rechtsextreme Ecke stellen, sie merken aber langsam, dass ihre Nazi-Keule ihre Wirkung verloren hat. Bis auf ein paar versprengte Einzelgänger dieser Szene mühen sich langsam alle, die Seiten zu wechseln.
Schuldkomplex
Ein seltsamer Tod ist es, den Europa da gerade stirbt, denn die Ursache liegt nicht in einer fremden Macht, die Europa militärisch überrennen würde oder in einer medizinischen Katastrophe. Der Grund liegt in einer Reihe von Lebenslügen, die in Europa, eigentlich in der ganzen westlichen Welt, allerdings in unterschiedlicher Intensität gelebt werden. Dieser Blick eines Engländers über den deutschen Tellerrand hinaus macht Murrays Buch so lesenswert: Nicht nur in Deutschland, in ganz Westeuropa und in fast der gesamten alten „1. Welt“ herrscht ein Schuldkomplex, den der Rest der Welt nicht kennt.
Als Europäer, so glauben wir, haben wir an allem Elend dieser Welt mindestens eine Mitschuld. Dass in der sogenannten 3. Welt sozialistische Potentaten und Oligarchen die Wirtschaft zugrunde richten … egal, all das hängt irgendwie mit unserem Kolonialismus von früher und unserem Konsum von heute zusammen.
Katharsis
Und dieser Schuldkomplex geht einher mit einer erhofften Katharsis, der Vorstellung, diese angebliche moralische Schuld durch die Aufnahme von Migranten (Flüchtlinge kommen nach europäischer Rechtsauffassung kaum welche bspw. in Deutschland an) egal in welcher Größenordnung lösen zu können. Gerne wird dabei darauf verwiesen, dass der Ansturm, den wir seit 2015 und immer noch erleben, doch nur einen Bruchteil der eigenen Bevölkerung Europas ausmacht. Vergessen wird dabei, und von Murray an Beispielen aus vielen westeuropäischen Ländern deutlich gemacht, dass die Integration von Migranten auch schon früher nicht in dem Maße funktioniert hat, wie es die Politik versprochen oder – bei viel gutem Willen – vorausgesagt hatte.
Nach dem zweiten Weltkrieg sind überall in Europa arabische oder afrikanische Arbeitskräfte ins Land geströmt – in Deutschland unter dem Begriff „Gastarbeiter“ bekannt – bei denen man zunächst meinte, sie würden irgendwann wieder in ihre Heimat zurückkehren oder, nachdem sich das als Trugschluss entpuppt hatte, sie würden werden wie die restlichen Europäer. Nach Jahrzehnten stellt sich in all diesen Gesellschaften heraus, dass man noch immer an den Folgen dieser Migration laboriert, und trotzdem meinen Politiker, die Integration von Millionen von Migranten, noch dazu aus völlig kulturfremden Ländern, sei machbar.
Europäische Schwächen
Murray weist darüber hinaus auch auf bestimmte Schwächen hin, auf die die Zuwanderer in den Zielländern treffen; neben dem Schuldkomplex vor allem auch eine weltanschauliche Beliebigkeit, ein Verlust des christlichen Glaubens und christlicher Wertvorstellungen, die diesen Kontinent über Jahrhunderte geprägt hatten. Eine alternde Gesellschaft setzt dabei – jedenfalls auf Seiten der Politik – auf junge Zuwanderer und verkennt nicht nur die sozialen Probleme im eigenen Land sondern auch die Konsequenzen in den Herkunftsländern.
Der Begriff „Bevölkerungsaustausch“ wird noch immer heftig abgewehrt, aber die Argumentationen, unsere Wirtschaft bräuchte Immigranten läuft exakt darauf hinaus. Eines der krassesten Einschätzungen aus dem Buch stammt aus 2017 von Dimitris Avramopulus, Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft der Europäischen Kommission. Murray zitiert ihn:
Wir sollen das Denken ändern müssen
Es sei Zeit, der Wahrheit ins Auge zu sehen, forderte er „Wir können und werden die Migration niemals aufhalten.“ Er rühmte, dass „die EU im letzten Jahr mehr als 700.000 Menschen Schutz geboten“ habe, was, wie er sagte, nicht nur ein „moralisches Gebot“ sondern auch „eine wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit für unseren alternden Kontinent“ sei. „Am Ende brauchen wir die Bereitschaft, Migration, Mobilität und Diversität als die neuen Normen zu akzeptieren und unsere Politik entsprechend zu gestalten. Der einzige Weg, unsere Asyl- und Migrationspolitik zukunftssicher zu machen, ist in erster Linie, die Art, wie wir denken, zu ändern.“
In diesen wenigen Sätzen lässt sich das ganze Elend und auch die Verlogenheit der deutschen und europäischen Migrationspolitik zusammenfassen, von deren Vertretern bislang immer wieder betont wird, Migration sei auch in der jetzigen massiven Größenordnung machbar und sowieso ein Gebot der Stunde.
Nebenwirkungen
Über vermeintliche Nebenwirkungen wie kulturell bedingte Kriminalität – so zum Beispiel Messer- und Machetenangriffe in ungekannter Zahl, Massenvergewaltigungen durch islamisch geprägte Parallelgesellschaften vor allem in England und Ehrenmorde – oder den Versuch, bestimmte Verbrechen mit dem Hinweis auf die Herkunftskultur zu relativieren, wird dagegen bisher selten bis gar nicht berichtet, geschweige denn durch die etablierten Parteien diskutiert.
Dabei zeigt Murray durchaus Verständnis für diejenigen, die in Griechenland oder Italien als Flüchtlinge gestrandet sind, dass es sie weiter nach Nordeuropa, vor allem nach Deutschland drängt, wo sie ein Sozialstaat erwartet, der ihre heimischen Vorstellungen von Wohlstand in den Schatten stellt. Man kann den Menschen keinen Vorwurf machen, dass sie ein besseres Leben suchen. Der Vorwurf gilt der Politik und den in vielen Teilen noch immer in dieser Art geprägten Gesellschaften, die meinen, durch die Aufnahme von „Flüchtlingen“ die Lage der Welt verbessern zu können und zu müssen.
Eine neue Welt voller neuer Probleme
Dieses Buch ist nicht optimistisch. Geschichte ist kein Automatismus, den man einfach fortschreiben könnte, aber manche Entwicklungen sind eben absehbar. Reichlich desillusioniert daher der Schluss des „Nachworts“ (eigentlich das Vorwort der im Juni 2018 erschienen englischen Taschenbuchausgabe):
In diesem Buch wird behauptet, dass es fortdauernde Bemühungen gebe, die europäische Öffentlichkeit davon abzuhalten, ihren eigenen Erfahrungen Glauben zu schenken. Die Täuschungsversuche werden ihr Ziel nicht erreichen. Es hat keinen Sinn, so zu tun, als würden wir nicht gerade die bedeutendste Veränderung unserer Kultur erleben. Schweden war 1950 eine ethnisch homogene Gesellschaft, in die kaum Einwanderung stattfand. In einem Jahrhundert wird es ein vollkommen veränderter Ort sein. Und noch während der Lebzeiten der meisten unter uns werden sich dieses Land und die meisten anderen Länder Westeuropas bis zur Unkenntlichkeit verändert haben – auch für jene, die erst seit Kurzem zu seinen Einwohnern zählen. Vielleicht geht alles gut. Vielleicht sterben die Leute aus, die sich noch erinnern, wie Schweden, Deutschland oder Großbritannien einst waren. Vielleicht. Vielleicht entsteht aber auch eine neue Welt voller neuer Probleme.
Das Erstarken der Radikalen als Symptom
Nein, es ist kein Selbstmord Europas, von dem Murray hier berichtet, jedenfalls nicht, wenn man Europa als die Bevölkerung zu Anfang dieses Jahrhunderts begreift und Selbstmord als einen willentlichen Akt. Es ist ein politischer Mord an einer Kultur, der hier stattfindet, aus welchen Interessen heraus auch immer gespeist. Das Erstarken teilweise radikaler Kräfte ist eine Folge dieser Politik. Die AfD in Deutschland stellt zum Beispiel, wie andere entsprechende Parteien und Bewegungen in anderen Ländern, ein Symptom dar.
Dabei geht es Murray nicht darum, christliche oder christlich geprägte Verantwortungsübernahme für die Not in der Welt abzulehnen. Er hat aus seinen Recherchen nur erkannt, dass die von der Mainstream-Politik angebotene Lösung – ungebremste und ungesteuerte Migration in die Sozialsysteme des Westens – nicht nur nicht die Rettung für notleidende Menschen darstellt, sondern auch zum Tod der europäischen Kultur, wie wir sie bis heute kennen, führen wird.
Leseempfehlung
Die Frage ist am Ende nur, ob man sich den eher pessimistischen Prognosen des Autors anschließt oder noch Hoffnung auf eine Wende aufbringt. In jedem Fall ist „The Strange Death of Europe“ eine dringende Leseempfehlung für mehr Realismus in der Migrationsdiskussion.
Gerd
„sondern auch zum Tod der europäischen Kultur, wie wir sie bis heute kennen, führen wird.“
Auch auf die Gefahr als Erbsenzähler zu gelten: Die europäische Kultur, wie wir sie bis „heute“ kennen? Diese Kultur wurde getötet, als man die Abtreibung flächendeckend legalisierte. Das war vor 40 Jahren. In dieser Zeit waren Migranten oder Flüchtlinge noch kein Thema, der Tod der Kultur allerdings beschlossene Sache. Insofern ist das Bild vom Selbstmord gar nicht so weit weg. Einen gründlicheren Weg zum Selbstmord, wird man in der Geschichte Europas wohl kaum finden. Jetzt hat sich auch noch das „katholische“ Irland dieser europäischen „Kultur“ angeschlossen, gründlicher geht ein Suizid nun wirklich nicht. Wenn in unserem Dorf (2000 Seelen) nun verschleierte Frauen mit 4 oder 5 Kindern durch den Einkaufsmarkt schlendern, wissen wir was die Stunde geschlagen hat. Sie werden uns überrollen.
Konrad Kugler
Die AdD-Wähler sind Reaktionäre, die dem idiotischen politischen Blödsinn unserer Regeirung nicht länger zuschauen können. Das sind vernünftige Leute, frei von Haß, aber mit Wut im Bauch. Der Haß ist Eigentum der Ideologen.
Die „Qualitätsmedien“ betreiben Volksverhetzung. und -verdummung. Bis heute wird nur von Flüchtlingen geredet, obwohl es sich ausschließlich um Einwanderer handelt. Denn alle wollen nach Deutschland, weil es sich in der ganzen Welt herumgesprochen hat, daß hier die dümmsten, weil ideologieramponierten Politiker das Sagen haben. Egal ob in der Regierung oder nicht. Verkürzt gesagt: Geld.
@ Gerd
Sie sollten konsequent auch die Quelle dieses Wahns nennen. Er nennt sich so einschleimend Sozialismus, ist aber ausgesprochen menschenfeindlich, weil er gegen die von Gott vorgegebenen Institute Ehe, Familie und Privateigentum kämpft. Von daher kommt der Abtreibungswahn. Täglich werden in Deutschland bis zu 1000 Kinder abgetrieben. Der österreichische Abtreiber Fiala nennt diese Zahl. Statistisch erfasst sind es immerhin 2000 pro Woche.
Der Startschuß fiel mit der Einführung der Pille. Das ZdK kämpft seit 1968 gegen die Pillenenzyklika Humanae Vitae, ein Großteil unseres Klerus ebenfallls und die 68er sind dazu die Lautsprecher.
Gerd
Über die Quelle des Wahns sind wir uns einig. Ich gehe mal davon aus, dass die Leser und Kommentatoren eines papstreuen Blogs das überwiegend genauso sehen. Interessant ihr Tippfehler bei der AfD. AdD: Alternative der Deutschen? Dass die Kirchen in Sachen Abtreibung ihr Pulver schon früh verschossen haben, dürfte nach der unseligen Debatte um den Verbleib in der staatlichen Schwangerschaftsberatung in den 90. Jahren Fakt sein. Bischof Kamphaus hatte bis zum Schluss für die Ausstellung der Tötungslizens „gekämpft“. Dyba ist sehr früh ausgestiegen. Wer hat wohl recht behalten?